Viele meinen, die Klimaschäden würden immer dramatischer. Deshalb müsse die Schweiz ihre Klimapolitik noch verschärfen. Tatsächlich ist es genau umgekehrt. Klimaschutz funktioniert nur, wenn fast alle Länder mitziehen. Das aber wird umso unwahrscheinlicher, je klarer die Probleme werden:
1. Das Wissen über die Kosten und Nutzen des Klimawandels für die einzelnen Länder und Regionen wächst schnell. In den eher schwach betroffenen Gebieten wird die Bereitschaft abnehmen, die hohen Kosten scharfer Klimapolitik zu tragen.
2. Das gilt ebenso für die stark betroffenen Länder. Sie wollen ihre knappen Mittel für die Vorbeugung und Bewältigung von Schäden statt für scharfe Klimapolitik einsetzen.
3. Gemäss gängiger wissenschaftlicher Schätzungen bringt der Klimawandel ohne strengen Klimaschutz bis 2100 grosse absolute Schäden. Diese hängen stark von der Annahme ab, dass die Erwärmung die Produktivität sinken und die Sterblichkeit steigen lasse. Doch relativ zum Bruttoinlandprodukt betragen die Schäden «nur» 2 bis 6 Prozent. Und sie verblassen im Vergleich zu den anderen Entwicklungen bis 2100. So wird der Wohlstand in reichen Ländern um wenigstens 80 Prozent und in armen Ländern mit guter Politik um über 2000 Prozent wachsen. Zugleich ist die allgemeine Steigerung der Lebenserwartung weit grösser als ihre Reduktion durch die Erwärmung.
Der Gastautor
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von Crema – Center for Research in Economics, Management and the Arts.
4. Die Klimaschäden können durch öffentliche und private Anpassungsmassnahmen stark gemindert werden, etwa mit Begrünung in Städten, dem Bau von Deichen, der Wohnortwahl und einfachen Apparaten, Stichwort Klimaanlage. Die erfolgreiche Anpassung an den Klimawandel ist weit einfacher als die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft.
5. Schon länger wird erwogen, den Klimawandel mittels «Climate-Engineering» zu bremsen, etwa indem die Reflexion des Sonnenlichts durch die Bildung und Einfärbung von Wolken erhöht wird. Das klang zumeist nach «Science-Fiction» und Höchstrisiko. Nun aber wird zunehmend verstanden, dass die gegenwärtige Erwärmung grossenteils nicht durch CO2 bedingt ist, sondern durch die Abnahme der Luftverunreinigung und so der Wolkenbildung als Folge des Verbots stark schwefelhaltiger Treibstoffe. Tatsächlich ist also auch Luftreinhaltepolitik Climate-Engineering, und dieses nichts Neues. Diese Einsicht könnte Climate-Engineering hoffähig machen.
Somit läuft unsere scharfe Klimapolitik ins Leere. Die meisten Länder können und wollen nicht mitziehen und dürften auf Anpassung und Climate-Engineering setzen. Wie kann das verhindert werden? Die einzige Chance ist Kostenwahrheit. Es muss ein angemessener, ausnahmsloser Preis auf alle CO2-Emissionen gesetzt werden. Nach den Nobelpreis-gekrönten Arbeiten von William Nordhaus sollte er heute bei 50 Franken pro Tonne CO2 liegen und über die Zeit moderat steigen. Er setzt die richtigen Anreize für sparsamen Energieeinsatz und schnellere technologische Entwicklung. Damit erübrigen sich die meisten Subventionen und Regulierungen im Energiebereich. Das Abgabeaufkommen von gegen 2 Milliarden Franken jährlich muss über die Senkung anderer Steuern an die Bürger zurückgegeben werden. Eine solche Politik ist so billig und gut für die Wirtschaft, dass alle Länder mitziehen können.
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Professor Eichenberger täuscht sich, wenn er behauptet: "Doch relativ zum Bruttoinlandprodukt betragen die Schäden «nur» 2 bis 6 Prozent. Und sie verblassen im Vergleich zu den anderen Entwicklungen bis 2100. So wird der Wohlstand in reichen Ländern um wenigstens 80 Prozent und in armen Ländern mit guter Politik um über 2000 Prozent wachsen." Die Natur funktioniert nicht nach den gängigen wirtschaftlichen Modellen. Wenn natürliche Systeme sog. "Tipping points" überschreiten, dann potenzieren sich die Effekte, es ist mit sich verstärkenden Multi-Krisen" zu rechnen.