Das deutsche Wirtschaftsministerium hat einen Zeitungsbericht zurückgewiesen, wonach Minister Robert Habeck am 8. Juli die zweite Eskalationsstufe des Notfallplans Gas ausrufen wolle. Der entsprechende Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sei unzutreffend, sagte eine Ministeriumssprecherin am Mittwoch auf Anfrage.

Der Bericht gehe offenbar auf missverstandene Äusserungen Habecks in einem Bundestagsausschuss zurück. Dort habe er erläutert, dass das Ersatzkraftwerke-Bereithaltungsgesetz am 8. Juli den Bundesrat passieren solle. Damit sollen mehr Kohlekraftwerke ans Netz gehen, um den Gasverbrauch bei der Stromversorgung zu reduzieren. In dem Zusammenhang sei auch das Stichwort Gas-Alarmstufe gefallen. Dies sei offenbar missverstanden worden.

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In Vorbereitung auf den Winter steht Deutschland vor der Aufgabe, die Gasspeicher zu füllen. Russland hat die Lieferungen über eine wichtige Pipeline vergangene Woche um rund 60 Prozent gesenkt. Bisher können die Speicher dennoch aufgefüllt werden. Inzwischen beträgt ihr Füllstand 58 Prozent. Bis 1. Oktober soll er bei 80 Prozent liegen und per 1. November bei 90 Prozent.

Erdgaspreise in diesem Monat um 33 Prozent gestiegen

Die europäischen Erdgaspreise sind in diesem Monat um 33 Prozent gestiegen und haben am Dienstag 125 Euro pro Megawattstunde erreicht. Vor einem Jahr lagen sie bei 30 Euro.

Branchen wie die Chemie- und Stahlindustrie haben bereits davor gewarnt, dass sie aufgrund der höheren Energiekosten möglicherweise Fabriken schliessen und die Produktion drosseln müssen.

Christian Lindner: Es droht eine Wirtschaftskrise

Der deutsche Finanzminister Christian Lindner sieht die Möglichkeit, «dass wir in einigen Wochen und Monaten eine sehr besorgniserregende Situation» haben könnten. Es bestehe die Gefahr einer «sehr ernstzunehmenden Wirtschaftskrise aufgrund der stark gestiegenen Energiepreise, aufgrund der Lieferketten-Probleme, aufgrund auch der Inflation», sagte er am Dienstagabend in der ZDF-Sendung «heute journal».

Der Staat, so Lindner, sei indessen auch selbst Opfer von Inflation. «Die Zinsen, die ich von Ihrem Geld bezahlen muss, die werden im nächsten Jahr auf 30 Milliarden Euro ansteigen, im letzten Jahr waren es 4 Milliarden Euro», sagte der Finanzminister. «Wir können uns immer mehr Schulden gar nicht mehr leisten, weil auch der Staat inzwischen hohe Zinsen zahlt.»

Sollte Moskau für einen verlängerten Zeitraum weniger Gas bereitstellen oder die Lieferungen noch weiter drosseln, rechnet der Energiekonzern Uniper mit Schwierigkeiten, die Vertragsverpflichtungen gegenüber seinen Kunden erfüllen zu können. 

Chefs von Thyssenkrupp und BASF warnen

Sinkt die Erdgasreserve unter eine bestimmte Schwelle ab, würde dies für die Thyssenkrupp und viele andere Unternehmen die Abschaltung und Stilllegung ihrer Anlagen bedeuten, wie die Chefin des Konzerns, Martina Merz, im April erklärt hatte.

Der Chef der BASF, Martin Brudermüller, warnte, ohne russisches Gas drohe vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen das Aus, Deutschlands internationale Wettbewerbsfähigkeit könne schnell abnehmen.

(bloomberg/reuters/gku)