Beim «Windsor-Abkommen» ist die EU der neuen britischen Regierung ein grosses Stück entgegengekommen. Der Entwurf beerdige «1000 Seiten EU-Gesetzgebung», verkaufte Premierminister Rishi Sunak den Durchbruch an seine Partei. Ganz so einfach ist es zwar nicht, aber selbst die Brexit-Hardliner sind zufrieden.

Für die Schweiz könnte der Kompromiss ein Vorbild sein. Sunak nannte ihn das, was «politisch machbar» ist. Er hat die Grundwerte der EU nicht komplett infrage gestellt, deshalb schenkt ihm Brüssel Vertrauen – etwa durch ein spezielles Vetorecht, um die Anwendung neuer Binnenmarktregeln in Nordirland notfalls stoppen zu können. 

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Statt weiter zu sondieren, sollte sich auch der Bundesrat endlich zu einer Kompromisslösung bekennen. Für die Schweiz führt beim Rahmenabkommen kein Weg komplett am Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorbei. Und auch beim Lohnschutz und bei der Personenfreizügigkeit müssen sich beide Seiten mit Ausnahmen und Schutzklauseln absichern – und sich darüber hinaus vertrauen.

Das Momentum dafür ist da. Der Wille zum Zusammenhalt und zur Harmonie ist derzeit überall im Westen gross. Selbst den Subventionsstreit scheinen die USA und die EU beigelegt zu haben. Wer kann, löst die Konflikte vor der Haustür, versöhnt sich mit seinen Nachbarn und schafft so auch national Ressourcen, um die richtig grossen wirtschaftlichen Herausforderungen anzugehen: die Bekämpfung der Inflation und ihrer Folgen, die Umsetzung der Sanktionen gegen Russland und die Überarbeitung der Lieferketten, um unabhängiger von China zu werden.

Die Schweiz hat bei der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative schon einmal gezeigt, dass sie die Grenzen der EU mit den eigenen politischen Rahmenbedingungen in Einklang zu bringen weiss. Es geht nur noch darum, dass die Landesregierung es auch wirklich will.

Die Alternative dazu wäre, einzusehen, dass es nichts mehr wird. Das würde Platz machen für neue Ideen. In einer neuen Studie werben Wissenschafter und Wissenschafterinnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz für ein Freihandelsabkommen mit der EU nach Vorbild des Ceta-Abkommens als Ersatz für das institutionelle Rahmenabkommen. Das wäre wohl unkompliziert umzusetzen, würde enorme Wohlstandsgewinne bringen und die Beziehung mit Brüssel vertiefen.

Kompromiss oder Kurswechsel – diese Möglichkeiten hat die Schweiz jetzt. Sie braucht die EU, sie braucht bessere Beziehungen zu Brüssel. Es sollte nie wieder die Frage gestellt werden müssen, ob unsere Nachbarn helfen, wenn der Strom hierzulande knapp wird. Und die Schweiz muss aktiv den Dialog mit der EU suchen und gemeinsam Politik gestalten können, wenn es um die wirklich heissen Eisen geht. Das geht nur, wenn kein Stillstand mehr herrscht.

Das steht im Windsor-Abkommen

Um endlich die politischen Probleme rund um das Nordirland-Protokoll zu lösen, das seit dem Brexit den Status der britischen Provinz zugunsten des Friedens auf der irischen Insel regelte, soll es künftig unter anderem eine «rote» und «grüne» Einfuhrspur für Waren von und nach Nordirland geben – wie beim Reisen oder am Zoll. So wird die Bevorzugung der Handelsbeziehung zwischen Irland und Nordirland ausgeglichen. Die EU verzichtet ausserdem auf eine ganze Reihe von Gesetzen, die Nordirland zugunsten der Beziehung mit dem EU-Mitglied Irland von seinem Mutterland trennte: das Verbot von bestimmten im Rest des Vereinigten Königreichs erhältlichen Waren, Medikamentenkontrolle durch die Europäische Arzneimittelagentur oder Subventionen nach EU-Regeln. Darüber hinaus gesteht Brüssel der britischen Regierung mit der «Stormont-Bremse» ein Vetorecht zu, um neue EU-Warengesetze gegebenenfalls zu blockieren.