Und wieder geht das Gespenst einer Technologie um, die geeignet sein soll, unsere Lebensgrundlagen zu zerstören. Ende Mai protestierten in Basel einmal mehr Hunderte von Demonstranten vor dem Sitz des inzwischen chinesischen Agrochemiekonzerns Syngenta gegen «Agrogentechnik» und für eine «ökologische, vielfältige und kleinbäuerliche Landwirtschaft».
Das zeigt: Wenn es um die grüne Gentechnik geht, dann sind Vorurteile nicht weit: Bringt nichts, dient nur den grossen Konzernen, gefährdet Mensch, Tier und Umwelt.
Die Fakten aber sprechen eine andere Sprache. Die grüne Gentechnik ist, zusammen mit den Pestiziden, der Grund, dass es seit den achtziger Jahren, als in Äthiopien eine Million Menschen zu Tode kamen, keine grossen Hungersnöte mehr gab. Gewiss, Hunger gibt es auch heute noch, gerade jetzt wieder, wegen des Kriegs in der Ukraine. Doch noch in den sechziger Jahren starben, im Verhältnis zur Weltbevölkerung, hundertmal mehr Menschen an Hunger als in den vergangenen zehn Jahren. Auch beim Bodenverbrauch ist die Bilanz der neuen Technologien positiv. So ist es unter anderem der grünen Gentechnologie zu verdanken, dass es gelungen ist, eine schnell wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, ohne dass dafür mehr Wälder und Wiesen zu Ackerflächen gemacht werden mussten.
Der «goldene Reis» – eine verpasste Chance
Die grüne Gentechnik ist ein Erfolg. Auch wenn sie mit ihren wenigen Anwendungen bei den wichtigsten Kulturen wie Mais und Soja bis jetzt weit unter ihren Möglichkeiten geblieben ist. Eben weil der politische Widerstand so gross war. So macht etwa Ingo Potrykus, Erfinder des «goldenen Reises» – einer gentechnisch veränderten Reissorte, die Vitamin A enthält –, die hohen regulatorischen Hürden dafür verantwortlich, dass der Reis bis heute nicht breit angebaut wird.
Die Folgen bekommen ausgerechnet die Ärmsten dieser Welt am meisten zu spüren. Vitamin-A-Mangel zählt zu den grössten Problemen der öffentlichen Gesundheit in Asien. Sie führt zu Blindheit und sie schwächt das Immunsystem, gefährdet sind vor allem Kinder, Schwangere und stillende Frauen. Sagen wir es klar und deutlich: Dass der goldene Reis den Durchbruch nicht schaffte, hat viele Menschen das Leben gekostet und noch mehr vorzeitig erblinden lassen.
Wenn Gegner der Gentechnik also fragen, wo denn all die grossartigen Nahrungsmittel alle geblieben seien, welche Wissenschaft und Industrie versprochen hätten, dann ist das zynisch. Wer Denkverbote propagiert, der muss sich nicht wundern, wenn die Forschung nicht vom Fleck kommt.
Crispr ist einfach, gezielt und schonend
Nun aber sieht es ganz danach aus, als ob die grüne Gentechnologie dank Crispr nochmals eine Chance bekäme. Die von den beiden Nobelpreisträgerinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna entdeckte Technologie ist einfach, gezielt und vermutlich schonender als einige Methoden, mit denen heute in der Pflanzenzüchtung gearbeitet wird. Hunderte Wissenschafterinnen und Wissenschafter beschäftigen sich bereits mit dem Thema, erste Erfolge liegen vor und einige wenige Produkte sind auch schon auf dem Markt.
Die Wissenschaft ist also am Start. Und auch in der Politik sieht es nicht mehr so düster aus wie auch schon. Die Stimmen, die eine Abkehr von der unsinnigen heutigen Praxis fordern, Pflanzenzüchtungen danach zu beurteilen, wie sie entstanden sind, und nicht nach dem, was sie hervorgebracht haben, mehren sich.
Auch die Industrie steht in der Pflicht
IP-Suisse zum Beispiel, die Organisation der integriert produzierenden Bauern in der Schweiz, ist der Meinung, dass es die neuen Technologien braucht, wenn die Landwirtschaft nachhaltiger werden soll. Die beiden Grossverteiler engagieren sich zusammen mit Denner, der Fenaco, den Schweizer Obstproduzenten und den Getreideproduzenten in einem Verein, sich für «Offenheit gegenüber neuen Züchtungsverfahren im molekularbiologischen Bereich» einsetzt. Und auch in Europa mehren sich die Zweifel an der heutigen Politik, seit der Europäische Gerichtshof 2019 festhielt, dass auch die heute in der Pflanzenzüchtung weit verbreitete Mutagenese als gentechnische Methode einzustufen sei, und damit die ganze Absurdität der heutigen Regelungen offenbarte. Denn damit war indirekt ja auch gesagt, dass der bei vielen so verhasste Genfood schon längst auf unseren Tellern gelandet ist.
Bleibt die Industrie. Sie wird glaubhaft machen müssen, dass die Rede vom gesellschaftlichen Nutzen der grünen Gentechnologie mehr als nur Deko für Profitdenken und zweifelhafte Geschäftspraktiken à la Monsanto ist. Sonst kann sie sich die grüne Gentechnik ein für alle Mal abschminken.
Wissenschaft und Industrie arbeiten an neuen, gentechnischen Züchtungsmethoden. Sie könnten die Landwirtschaft nachhaltiger und produktiver machen.