Schweizer Unternehmen sollen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland nicht haften. Der Ständerat lehnt die Konzernverantwortungsinitiative ohne Gegenvorschlag ab.
Mit 22 zu 20 Stimmen hat die kleine Kammer am Dienstag beschlossen, nicht auf eine Gesetzesvorlage einzutreten. Nun ist wieder der Nationalrat am Zug. Dieser hatte sich für einen Gegenvorschlag ausgesprochen.
Mit gesetzlichen Regeln will der Nationalrat der Konzernverantwortungsinitiative den Wind aus den Segeln nehmen. Konzerne sollen für Schäden haften, die sie oder ihre Tochterfirmen im Ausland verursachen.
Nachteile für die Wirtschaft
Die Mehrheit im Ständerat erachtet eine Regulierung für unnötig und schädlich. Mit den geplanten Bestimmungen drohten den Schweizer Unternehmen grosse Nachteile, warnte Ruedi Noser (FDP/ZH). Die Schweizer Wirtschaft wäre gezwungen, sich aus vielen Ländern zurückzuziehen.
Der indirekte Gegenvorschlag sei kein Kompromiss, sondern im Grunde ein Gesetz zur Umsetzung der Initiative, kritisierte Noser - aus Angst vor der Abstimmung. Das sei der falsche Weg. Solchen «extremen» Forderungen könne man nur mit einem entschiedenen Nein begegnen.
Beat Vonlanthen (CVP/FR) zitierte aus Zuschriften der letzten Tage, die von Angst vor der Abstimmung zeugten. Angst sei aber ein schlechter Ratgeber, stellte er fest. Auch er sei lange Zeit der Meinung gewesen, es brauche einen Kompromiss. Nun sei er zum Schluss gelangt, ein solcher sei nicht zu finden.
Ausserdem habe die Wirtschaft die Zeichen der Zeit längstens erkannt, erklärte Vonlanthen. So habe sich die Schweizer Schokoladeindustrie zum Ziel gesetzt, dass langfristig das gesamte Angebot aus nachhaltiger Produktion stamme. Die wenigen schwarzen Schafe müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Das sei aber schon heute möglich. Mit einer neuen Haftungsregelung dagegen drohten Schauprozesse gegen Schweizer Unternehmen, um diese als Konkurrenten auszuschalten.
SP-Chef Levrat kritisiert Glencore
Die Befürworter einer Haftungsregelung erinnerten an Skandale der letzten Zeit. Dass es ein Problem gebe, sei nicht zu bestreiten, sagte Robert Cramer (Grüne/GE). Das sei auch ein Reputationsrisiko für die Schweiz. Selbst betroffene Unternehmen plädierten für einen Gegenvorschlag. Wie beim Bankgeheimnis wieder auf die grosse Krise zu warten, sei nicht sinnvoll.
Christian Levrat (SP/FR) befand, es dürfe nicht sein, dass sich Schweizer Unternehmen mit Kinderarbeit und Umweltverschmutzung im Ausland bereicherten. Er wies auch auf Regulierungen in anderen Ländern hin. Ferner machte der SP-Präsident deutlich, dass er den Abstimmungskampf nicht fürchtet: Eine Kampagne zu den Machenschaften von Konzernen wie Glencore oder Nestlé zu führen, bereite ihm keine Mühe.
«Wind of change» bläst
Daniel Jositsch (SP/ZH) betonte, es gehe nicht um «die Wirtschaft», sondern nur um grosse, international tätige Firmen. Als Standesvertreter des Kantons Zürich liege im viel an guten Voraussetzungen für die Unternehmen. Doch der «wind of change» blase in Richtung saubere, umweltverträgliche, menschenrechtskonforme Wirtschaft. «Das ist die Zukunft.»
Auch Anne Seydoux (CVP/JU) sprach sich für einen Gegenvorschlag aus. Das Argument, wegen ein paar schwarzer Schafe sollte kein Gesetz erlassen werden, überzeuge nicht. Mit demselben Argument könnte man auch auf das Strafrecht verzichten, gab sie zu bedenken.
Eigenverantwortung der Unternehmen
Hinter der Initiative stehen Hilfswerke, Menschenrechts- und Umweltorganisationen. Der Bundesrat sah keinen indirekten Gegenvorschlag vor. Er setze auf das eigenverantwortliche Handeln, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Es liege im ureigenen Interesse der Wirtschaft, Menschenrechte und Umweltschutzstandards zu achten. Die diskutierten Massnahmen seien international nicht abgestimmt.
Die Rechtskommission des Ständerates hatte einem Gegenvorschlag zugestimmt, diesen aber stark verwässert. Aus Sicht der Initianten wäre mit der Version der Kommission faktisch ausgeschlossen, dass Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden könnten. Mit der Version des Nationalrates könnten die Initianten leben.
Subsidiaritätsklausel eingebaut
Die Ständeratskommission hatte eine Subsidiaritätsklausel eingebaut: Die Kläger sollten soweit zumutbar im Ausland gegen die Tochtergesellschaft vorgehen, welche die Menschenrechts- oder Umweltrechtsverletzung begangen hat.
In der Version des Nationalrates sieht der Gegenvorschlag vor, dass Unternehmen belangt werden können, wenn Tochtergesellschaften im Ausland Bestimmungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt verletzen - es sei denn, sie können bestimmte Nachweise erbringen.
Entweder müssen die Unternehmen nachweisen, dass sie die gebotenen Sorgfaltsmassnahmen getroffen haben, um einen Schaden dieser Art zu verhindern. Oder sie müssen nachweisen, dass sie nicht auf das Verhalten des kontrollierten Unternehmens Einfluss nehmen konnten. Gelten soll diese Regelung für Unternehmen ab einer bestimmten Grösse oder mit besonderen Risiken.
(sda/mbü)