Wegen des Inserats «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!» müssen sich zwei hohe Parteikader der SVP Schweiz vor Strafgericht verantworten. SVP-Generalsekretär Martin Baltisser und dessen Stellvertreterin Silvia Bär wurden wegen mehrfacher Rassendiskriminierung angeklagt. Das Inserat war Teil der Kampagne für die SVP-Masseneinwanderungsinitiative.
Die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland fordert für Baltisser und Bär jeweils bedingte Geldstrafen. Die beiden Beschuldigten hätten durch das «Kosovarenschlitzer»-Inserat gleich mehrfach, vorsätzlich und in Mittäterschaft sowie in verantwortlich leitender Stellung gegen die Anti-Rassismus-Strafnorm verstossen.
Toni Brunner durch Immunität geschützt
Angeklagt werden Baltisser und Bär, weil sie bei der Planung und Veröffentlichung des «Kosovarenschlitzer»-Inserats mit dem Parteipräsidenten der SVP Schweiz, Toni Brunner, in massgeblicher Weise zusammengewirkt hätten. Der Prozess gegen SVP-Generalsekretär Baltisser und dessen Stellvertreterin Bär vor dem Regionalgericht Bern-Mittelland findet Ende April diesen Jahres statt.
Brunner selbst wird aber dereinst nicht mit den beiden Beschuldigten auf der Anklagebank sitzen, obwohl die Strafuntersuchung wegen Rassendiskriminierung sich zunächst auch gegen den SVP-Parteipräsidenten gerichtet hatte. Das Parlament hatte aber 2013 die parlamentarische Immunität, die Brunner als Nationalrat (SG) geniesst, nicht aufgehoben.
Bauernopfer für Ausländerhetze
Rechtsanwalt David Gibor, der zwei Kosovaren vertritt, hat sich mit der Strafanzeige gegen den mehrfachen Widerstand der Staatsanwaltschaft beim Berner Obergericht durchgesetzt. Er bezeichnete auf Anfrage am Freitag die beiden Beschuldigten als Bauernopfer, welche für die seit Jahren betriebene rassistische Hetze der SVP gegen Ausländer und Asylbewerber nun stellvertretend zur Verantwortung gezogen würden.
Mit dem Slogan «Kosovaren schlitzen Schweizer auf!» warb die SVP für ihre Masseneinwanderungsinitiative. Das Inserat erschien im Spätsommer 2011 in verschiedenen Printmedien und löste landesweit heftige Reaktionen aus. Einige Medien lehnten die Veröffentlichung des umstrittenen Inserats ab, weil es diskriminierend wirke.
Stimmrechtsbeschwerde gegen Wahlresultat
Die SVP-Masseneinwanderungsinitiative war am 9. Februar 2014 mit 50,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen worden. Gegen dieses Abstimmungsresultat hat David Gibor beim Bundesgericht nun Stimmrechtsbeschwerde erhoben. Er wird unterstützt vom Zürcher Staatsrechtler Tomas Poledna.
Weil das Strafgericht Bern-Mittelland entschieden hat, dass es auf die Anklage der Staatsanwaltschaft gegen Baltisser und Bär eintritt, ergibt sich laut dem Anwalt Gibor eine neue Fragestellung: «Wurde mit einer strafbaren Handlung in unzulässiger Weise auf das Resultat der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungsinitiative eingewirkt?»
(sda/ise/chb)