Die zwei Mietrechtsreferenden, über die wir im November abstimmen, signalisieren die total verfahrene und blockierte Wohnpolitik. Und das im Zeichen von Wohnungsnot und grassierenden Mietzinssteigerungen.
Beide Vorlagen der Hauseigentümerseite bezwecken die erleichterte Kündigung von Mietverhältnissen durch die Vermieter mit dem Ziel, mit der Neuvermietung unter Ausnützung der Wohnungsnot höhere Renditen zu erzielen. Der Bundesrat lehnte im Parlament beide Vorlagen ab. Der Mieterverband ergriff das Referendum.
Bei der ersten Vorlage geht es um die erleichterte Kündigung einer Wohnungsmiete zwecks Neuvermietung zum Eigenbedarf auch durch nahe Verwandte und Verschwägerte. Mit der zweiten Vorlage können Vermieter die Untermieter ihrer Mieterschaft zum Voraus kontrollieren und deren Untermiete auf zwei Jahre begrenzen. Dies schafft Härtefälle: Etwa wenn eine Witwe nach dem Tod ihres Mannes einen dauernden Untermieter einstellt, damit die Wohnung für sie finanzierbar bleibt. Oder wenn eine Frau mit Kind nach der Scheidung ihre Wohnung mit einer Untermieterin zu finanzieren und zu behalten versucht. Diese neue Befristung der Untermiete auf zwei Jahre ist eine reine Schikane. Missbräuche kann man schon heute verhindern.
Der Gastautor
Rudolf Strahm ist ehemaliger Preisüberwacher und Ex-SP-Nationalrat.
Bundesrat und Ständerat wollten, wie üblich, eine einzige Mietrechtsvorlage vor das Volk bringen. Die vielen Vertreter des Hauseigentümerverbands und der mächtigen Immobilienlobby im Nationalrat setzten diese unnötige Vorlagentrennung durch, wohl um den Mieterverband abzustrafen und ihn mit zwei teuren Referenden auszuhungern. Die nächste Mietrechtsabbauvorlage dieser listigen Salamitaktik folgt schon nach Neujahr.
Diese Abstimmungskaskade verrät die verkorkste Situation zwischen den Hauseigentümer- und Mieterverbänden. Ich war 13 Jahre lang Präsident des Mieterinnen- und Mieterverbands Deutschschweiz. Konflikte und gegenseitigen Respekt habe ich noch als produktiver erlebt. Was wären heute die Felder der gemeinsamen Ausmarchung der Interessen?
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An der Ausdehnung gemeinnütziger Bauträger und Wohnbaugenossenschaften, die die Kostenmiete praktizieren und stabilisieren, hätten nicht nur Mieterkreise, sondern auch örtliche Arbeitgeber, welche Personal anziehen, und Gemeinden ein Interesse.
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An der Umnutzung leer stehender Büro- und Gewerbebauten wären alle interessiert. Allein im Grossraum Zürich stehen derzeit 420’000 Quadratmeter Büroflächen leer. Deren Umnutzung würde für 4000 Wohnungen reichen.
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Die Einsprachen sowie Bau- und Planungsrekurse sind das Grundübel der Bauverhinderung. Der grösste Anteil von Einsprachen kommt von benachbarten Hauseigentümern, seltener von Schutzverbänden und nur selten von der Mieterschaft. Der Hauseigentümerverband wäre gefordert. Die Rekurskaskade muss gekürzt werden, und es braucht Fristengarantien.
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Die Baulandeinzonung und die Baulandverflüssigung müssen, mindestens teilweise, verbunden werden mit einem Vorkaufsrecht von Gemeinden für zukünftiges Wohnbau- und Gewerbeland. Wie dies Städteverband und Planer schon lange fordern.
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Die Verdichtung von Wohnzonen ist das Mantra der Grünen – die heute im Mieterverband eine starke Position einnehmen – gegen Einzonungen. Aber Dachstockausbauten, Aufstockungen und Anbauten sind immer sehr, sehr teuer.
Es gäbe durchaus Ansatzpunkte zur Kompromissfindung.
Das Mietrecht ist nötig, um sozialen Schaden zu bekämpfen, deshalb warne ich vor dieser Aufweichung des Mieterschutzes. Aber: Mit dem Mietrecht allein löst man die Wohnungsnot nicht.
1 Kommentar
Die Lösung nimmt doch langsam Gestalt an: Wegzug mittelständischer Unternehmen ins Ausland, ob Hoffmann Neopac, Sigvaris... Die Arbeitsplätze kommen zu denen die sonst in die Schweiz kommen, hier leben und arbeiten müssten. Weniger Dichtestress, weniger Wohnungsnot. ;-) Und die vom Verlust des Arbeitsplatzes betroffenen Schweizer? Dürfen ins Ausland zügeln und dort ihren Job behalten. Migration anders herum.