Wie der Ukraine-Krieg eine weltweite Weizenkrise hervorruft und drei Wege, sie zu lösen.
Klar ist, die verfügbare Menge Weizen und anderer Getreide lassen sich nicht aus dem Stegreif ändern. Mittelfristig muss es deshalb darum gehen, die Produktion zu erhöhen. Und da richtet sich der Blick gerne auf die ökologischen Ausgleichsflächen – also auf diejenigen Agrarflächen, die zum Schutz der Biodiversität nicht bewirtschaftet werden.
In Deutschland ist es bereits so weit. Deutsche Bauern dürfen ihre ökologischen Ausgleichsflächen auf Geheiss von Landwirtschaftsminister Cem Özdemir, immerhin ein Grüner, dieses Jahr ausnahmsweise umpflügen, um Futtermittel für Tiere anzubauen.
Auch in der Schweiz gibt es eine Diskussion um eine Anbauschlacht 2.0, bei der die Ökologie das erste Opfer wäre. Nur ist der Nutzen dieser Massnahme beschränkt. «Ökologische Ausgleichsflächen sind in der Regel nicht besonders ertragreich», sagt Bettina Rudloff. Oft handelt es sich dabei um Flächen, die klimatisch ungünstig liegen oder die mit Maschinen schlecht erreichbar sind. Deshalb seien sie ja ausgesondert worden. Zudem: «So viel Fläche ist das nicht», sagt die Landwirtschaftsexpertin.
In Zahlen: In der EU werden 4 Millionen Hektaren nicht bewirtschaftet, damit darauf Vögel brüten und andere Kleinlebewesen leben können. Die Hälfte davon befindet sich in Spanien, einem Land, das aus klimatischen Gründen nicht für den Anbau von Weizen geeignet ist.
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Insgesamt lassen sich mit einer Bewirtschaftung der Ausgleichsflächen vielleicht ein paar wenige Millionen Tonnen herausholen. Russland aber exportiert 40 Millionen Tonnen Weizen, die Ukraine 20, also ein Vielfaches mehr. Zugleich ist der ökologische Schaden enorm, selbst wenn die ökologischen Ausgleichsflächen nur für ein Jahr genutzt werden. Einmal zerstört, brauchen sie Jahre, bis sie ihre Funktion wieder wahrnehmen können.
Weitaus sinnvoller wäre eine andere Massnahme, nämlich der Verzicht auf Agrartreibstoffe. In der EU werden 10 Prozent des Getreides dafür verwendet, dass Autos und Lastwagen rollen.
Das Problem hier ist die Kollision mit den Pariser Klimazielen. In vielen Ländern, darunter Deutschland, sind Agrarkraftstoffe Teil der Massnahmen, mit denen sie ihre klimapolitischen Verpflichtungen erfüllen wollen. Deutschland etwa kennt ein Unterstützungssystem, das Rohstoffkonzerne mit Strafen belegt, wenn sie bestimmte Ziele bei den Agrarkraftstoffen nicht erfüllen. Länder wie Indonesien haben in der Erwartung auf sichere Absatzmärkte angefangen, Weizen für Agrarkraftstoffe anzubauen.
Kurzum: Die Einbindung der Agrarkraftstoffe in die Klimapolitik hat Incentives geschaffen, die sich nun nicht so leicht wieder streichen lassen. Dabei ist die Ökobilanz von Agrarkraftstoffen mehr als durchzogen. Bettina Rudloff ist deshalb überzeugt: «Mit den Agrartreibstoffen hätten wir ein Mittel in der Hand, um die Ernährungskrise zu lindern.»