Kontinuität in Frankreich, Aufatmen in Europa: Die Französinnen und Franzosen haben der Nationalistin und EU-Skeptikerin Marine Le Pen eine Absage erteilt und den Europafreund Emmanuel Macron erneut zu ihrem Präsidenten gewählt. Ein in Brüssel und Berlin gefürchtetes politisches Erdbeben, das ein Wahlsieg Le Pens ausgelöst hätte, blieb aus. Doch die Rechte fuhr ein historisch gutes Ergebnis für ihre politische Familie ein - und Macron gab sich demütig. Die Stichwahl wie zuvor schon der erste Wahlgang legten offen, wie tief gespalten die französische Gesellschaft ist. Schon am Ende des Wahltages am Sonntag richtete sich der Fokus auf die Parlamentswahl im Juni.

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Wie ist die Wahl ausgegangen?

Klarer Sieger ist Amtsinhaber Emmanuel Macron. Der 44-Jährige setzte sich laut Innenministerium nach Auszählung aller Stimmen mit 58,55 Prozent gegen seine Herausforderin Le Pen durch. Die 53-Jährige kam demnach auf 41,45 Prozent. Damit verbesserte Le Pen ihr Wahlergebnis vom letzten Duell gegen Macron im Jahr 2017 um fast 8 Prozentpunkte. Vor fünf Jahren erhielt sie knapp 33,9 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag den Angaben zufolge bei 72 Prozent und damit etwas niedriger als vor fünf Jahren (74,56 Prozent).

Warum konnte Macron sich durchsetzen?

Als uneingeschränkte Bestätigung ist Macrons Sieg keinesfalls zu verstehen. Während Le Pen das Ergebnis einen «strahlenden Sieg» nannte, zeigte Macron sich demütig: «Ich weiss, dass viele unserer Mitbürger heute für mich gestimmt haben, um die Ideen der Rechtsextremen zu verhindern und nicht, um die meinen zu unterstützen.» Mit Blick auf Le Pen-Wähler sagte er: «Die Wut und der Dissens, die sie dazu gebracht haben, für dieses Vorhaben zu stimmen, muss auch eine Antwort finden.»

Diese traditionelle «republikanische Front» gegen rechts war aber weniger stark ausgeprägt als noch 2017. Beobachter gehen davon aus, dass Macron mit seinem wirtschaftsfreundlichen Kurs während seiner fünfjährigen Amtszeit einige, vor allem linke Wähler völlig verprellt hat.

Gleichzeitig dürfte Macron aber auch sein Amtsbonus in die Karten gespielt haben. Er konnte in den vergangenen Monaten auf internationaler Bühne als Vermittler im Ukraine-Krieg und Krisenmanager auftreten. In unsicheren Zeiten wegen des Angriffskrieges Russlands, der Corona-Pandemie und des Klimawandels haben sich viele Wähler von Macron vor allem Kontinuität und Stabilität versprochen.

Nicht zuletzt profitierte Macron auch von den Schwächen seiner Herausforderin. Experten stufen ihre politischen Einstellungen weiter als radikal ein, obwohl sie im Wahlkampf auf einen Image-Wechsel und eine Strategie der «Entteufelung» setzte. Negativ ausgelegt wurde ihr auch ihre früher offen zur Schau gestellte Russland-Nähe. In der wichtigen TV-Debatte vier Tage vor der Stichwahl wirkte sie zudem auf die Zuschauer weniger überzeugend als Macron, wie Umfragen ergaben.

Was bedeutet das Wahlergebnis für Deutschland und die EU?

In Brüssel und Berlin ist die Erleichterung gross, Glückwünsche von deutschen Spitzenpolitikern und EU-Grössen kamen schon am Sonntagabend. Denn Macron verspricht eine weiterhin enge Kooperation. Und er zeigt sich offen, die Europäische Union weiter zu vertiefen.

Le Pen hätte als Präsidentin ein Kontrastprogramm gefahren. Von der seit Jahrzehnten engen Zusammenarbeit mit Deutschland wollte sie sich lossagen. Ein Konfrontationskurs zur EU wäre programmiert gewesen. Sie wollte beispielsweise nationales Recht über EU-Recht stellen und Ausländer in Frankreich benachteiligen. Sie hätte in Brüssel auch etliche Vorhaben aus Eigeninteresse ausbremsen können. Der Nato steht sie feindlich gegenüber, sie wollte Frankreich beispielsweise aus der Kommandostruktur des westlichen Verteidigungsbündnisses heraus lösen.

Statt weiter auf das bislang einflussreiche Tandem Paris-Berlin zu setzen, hätte sich Le Pen stärker den EU-skeptischen Regierungen in Warschau und Budapest zugewandt. Eine weitere Sorge war, dass die bislang geschlossene Front des Westens gegen Russland zu bröckeln begonnen hätte.

Wie geht es jetzt weiter?

Es ist in Frankreich üblich, dass der Premierminister noch vor offiziellem Amtsantritt des wiedergewählten oder neuen Präsidenten den Rücktritt der Regierung anbietet. Auch der derzeitige Premier Jean Castex hat bereits seinen Rücktritt für kurz nach der Wahl angekündigt. Damit wird Macron wohl schnell einen neuen Regierungschef ernennen können. Das Online-Medium «Politico» geht davon aus, dass bis spätestens Mitte Mai eine neue Regierung ins Amt eingeführt werden könnte.

Gleich am Sonntagabend verlagerte sich der Fokus auf die Parlamentswahlen, die im Juni anstehen. Diese sind bedeutsam, denn der französische Staatschef verfügt zwar über sehr viel Macht, aber sein Einfluss schrumpft ohne eine Mehrheit in der Assemblée Nationale zusammen. Ohne den Rückhalt des Parlaments wäre Macron gezwungen, eine Regierung aus Politikern eines anderen politischen Lagers zu ernennen. Eine solche Zweiteilung der Exekutive wird als «Kohabitation» bezeichnet. Der Premierminister wird dann deutlich wichtiger.

Für den Kampf um Plätze im Parlament wird Macron - anders als in der Stichwahl - nicht auf die Unterstützung linker Parteien und der Konservativen setzen können. Diese verfolgen eigene Interessen. Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon etwa, der bei den Präsidentschaftswahlen auf Platz drei landete, hofft, mit einem Wahlsieg der Linken Premierminister zu werden. Er sagte seinen Anhängern, sie könnten Macron bei der Parlamentswahl noch schlagen.

(sda/gku)