Nelson Mandelas Tod bedeutet der Anfang vom Ende seiner Bewegung, des Afrikanischen Nationalkongresses ANC. Seit dem Ende der Apartheid regiert der ANC mit seinen Verbündeten Südafrika ohne Unterbruch mit absoluter Mehrheit.
Doch die Bewegung ist heillos zerstritten und ihre Führer, vom Staatspräsidenten bis hinunter zu Exponenten der Jugendbewegung, tun sich vor allem durch Inkompetenz, Ignoranz, Misswirtschaft und Nepotismus hervor. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der ANC in diverse Parteien aufspaltet - Mandelas Tod wird dies beschleunigen, denn ohne ihn fehlt der Übervater, auf den sich bisher alle bezogen.
«Wir haben unsere Ideale verloren»
«Wir haben unsere Ideale verloren und zahlen einen hohen Preis dafür», schreibt Mamphela Ramphele, Weltbank-Mitarbeiterin und Politikerin in ihrem Buch «Conversations with My Sons and Daughters». Sie war die Partnerin des während der Apartheid ermordeten ANC-Führers Steve Biko, dessen Schicksal im Hollywood-Film «Cry Freedom» verewigt wurde.
Ramphele analysiert Südafrikas Zustand ungeschminkt: Eine kleine politisch exzellent vernetzte Elite hat das Land zu ihrer Beute gemacht. Deren Lakaien in Parlament und dem öffentlichen Dienst werden mit Posten für ihre Loyalität belohnt, unabhängig von Leistung oder Fähigkeiten. Damit entwickelte sich ein System, das Klüngelwirtschaft und Korruption zur Normalität macht.
Wer nicht für uns ist, ist gegen uns
Der ANC ist ihrer Ansicht nach in dieser Hinsicht von anderen Befreiungsbewegungen Afrikas nicht verschieden. Der Übergang von einer (teils) bewaffneten Kampforganisation zu einer demokratischen politischen Partei ist nicht gelungen. Noch immer dominiert im Land die Grundhaltung aus den Kampfzeiten der Apartheid: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Dies zeigt sich bei den Wahlen: Viele Südafrikaner glauben, dass sie ihre Freiheit und den erhofften Wohlstand Nelson Mandela und dem ANC verdanken und stimmen entsprechend für diese Partei, trotz regelmässigen Korruptionsskandalen und Misswirtschaft.
Diese Haltung verhindert die Entwicklung eines staatsbürgerlichen Bewusstseins. Menschen, die unter grossen Opfern gegen das Apartheidregime gekämpft haben, schrecken heute davor zurück, ihre politischen Rechte wahrzunehmen und von den Regierenden Rechenschaft zu verlangen. Dies ist für Mamphela Ramphele ein wesentlicher Grund für die Misere im Land.
Staatspräsident regelmässig im Visier der Ermittler
Die wirtschaftlichen Herausforderungen sind gross in Südafrika, doch deren Staatspräsident Jacob Zuma hat keine Lösungen parat. Stattdessen macht er regelmässig mit Skandalen auf sich aufmerksam. So etwa, als er öffentlich meinte, mit Duschen können man einer Aids-Infektion vorbeugen.
Politisch weit gravierender sind die regelmässig auftauchenden Korruptionsvorwürfe. Als er 2007 zum ANC-Präsidenten gewählt wurde, liefen zwei Prozesse wegen Korruption und Vergewaltigung gegen ihn. Letzterer endete mit einem Freispruch, weil die Klägerin nach Auffassung des Gerichts nicht zweifelsfrei eine Gewaltanwendung nachweisen konnte. Der Korruptionsprozess wurde eingestellt, weil die Regierung um Thabo Mbeki unzulässig Einfluss auf das Verfahren genommen hatte.
Bestechung bei Milliarden-Waffendeal
Nun steht Zuma seit Ende August wieder im Visier der Ermittler, jetzt geht es um einen 4-Milliarden-Rüstungsdeal mit europäischen Waffenfirmen. 1996 hatte die Regierung um Nelson Mandela die Modernisierung der Luftwaffe und Marine beschlossen - obwohl eine Bedrohung Südafrikas nach dem Ende der Apartheid nicht exisierte. Involvierte Firmen gaben zu, dass sie Politiker geschmiert hatten.
Während den Ermittlungen geriet auch Zuma in den Verdacht, Schmiergelder erhalten zu haben - sein Finanzberater wurde 2005 deshalb verurteilt. Das Gericht befand Zumas Liaison zum Finanzberater für «kriminell» - trotzdem kam Zuma davon, wegen der erwähnten unzulässigen Einmischung des damaligen Präsidenten Mbeki.
Der Fall landete vor dem Verfassungsgericht. Um einem Entscheid dieser Instanz zuvorzukommen, leitete Staatspräsident Zuma 2011 selbst eine Untersuchung ein - und konnte damit die Zusammensetzung der Kommission bestimmen. Auf dem Papier verfügt sie über weitreichende Kompetenzen. Doch in der Realität werden ihr systematisch wichtige Akten verweigert und sie wird politisch laufend gegängelt. Ein Kommissionsmitglied trat darum diesen Juli zurück, wegen «politisch nicht hinnehmbarer Einflussnahme».
Drei neue Parteien für die Wahlen 2014
Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung wächst, auch unter den Anhängern des ANC. Schon im April 2014 sind Neuwahlen und bereits haben sich drei Abspaltungen des ANC formiert, die das linke Spektrum und die Mitte abbilden.
Ende 2012 wurde die «Workers and Socialist Party» (WASP) gegründet. WASP wurde von den international agierenden Demokratischen Sozialisten gegründet. Der Anlass für die Gründung war das Massaker von Marikana, als 35 Bergbauleute von Sicherheitsbehörden erschossen wurden - dieser Vorfall erinnerte viele Südafrikaner an die Zeiten der Apartheid und war ein Schock für die Bevölkerung. Bis heute ist diese Tat nicht gesühnt. Die WASP ist linksradikal: Sie fordert die Verstaatlichung von Bergewerken, Banken, Land und anderen Schlüsselbereichen.
Eine ähnliche Wählerschicht spricht die Partei «Economic Freedom Fighters» (EFF) an. Ihre Klientel sollen jene werden, die von der demokratischen Wende 1994 nicht profitierten. Ihr Gründer Julius Malema hat aber ein riesiges Glaubwürdigkeitsproblem: Der Ex-Präsident der Jugendbewegung des ANC wurde Anfang 2012 aus der Partei ausgeschlossen, weil sein aufwendiger Lebensstil im krassen Gegensatz zu den propagierten Werten steht. Zuletzt stand er wegen Bestechungsvorwürfen vor Gericht, sein Domizil wurde wegen Steuerschulden versteigert. Dank populistischer Parolen findet er bei der Jugend aber nach wie vor grossen Beifall.
Eine andere Wählerschaft im Mittespektrum hat die Partei Agang im Auge - sie ist die Bewegung, die Mamphela Ramphele Mitte 2013 ins Leben rief. Die Partei will die Vorherrschaft des ANC brechen und kritisiert dessen Korruption und desolate Wirtschaftspolitik. Die wichtigsten Ziele von Agang sind Bildungspolitik und Korruptionsbekämpfung. Ramphele wird 2014 auch um die Präsidentschaft kämpfen, ist aber bei der jungen südafrikanischen Generation nicht so bekannt, wie ihre Medienpräsenz vermuten lässt.
Mit Material der deutschen Fachzeitschrift Afrika Süd.