Die Zuwanderung in die Schweiz ist und bleibt hoch und der Ausländeranteil wächst weiter. Bei den 35-Jährigen beträgt er landesweit bereits 40 Prozent, in manchen Kantonen sogar um die 55 Prozent. Eine Ursache dafür ist die direkte Demokratie. Sie bringt eine partnerschaftliche Beziehung zwischen Bürgern und Staat, gute Politik und Wohlstand – und damit Zuwanderung. Wie aber soll die direkte Demokratie ihre Kraft weiterhin entfalten, wenn immer mehr Einwohnerinnen und Einwohner politisch nicht integriert sind?
Reiner Eichenberger ist ordentlicher Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Forschungsdirektor des Instituts Crema.
Auch dafür böte die direkte Demokratie eine Lösung. Sie gibt den Bürgerinnen und Bürgern zweierlei: Mitbestimmungsrechte durch die Teilnahme an Sachabstimmungen sowie Mitspracherechte durch das Lancieren von Referenden und Initiativen. Mitbestimmung ist etwas anderes als Mitsprache. Dehnt man die Mitbestimmungsrechte auf weitere Gruppen aus, fürchten die bisherigen Wahlberechtigten, überstimmt zu werden. Die Ausweitung der Mitspracherechte hingegen bringt nur Vorteile.
Die Schweiz sollte deshalb den Ausländerinnen und Ausländern Mitsprache durch volles Initiativ- und Referendumsrecht geben, indem sie beispielsweise nach zwei Jahren Aufenthalt in der Schweiz gleich wie Schweizer Initiativen und Referenden unterschreiben können. So könnten sie ihre Anliegen wirkungsvoll in die politischen Debatten einbringen. So lernten die Inländer die Anliegen der Ausländer besser kennen und sie könnten sie in ihren Entscheidungen berücksichtigen. Die Ausländer würden früher integriert, ihre Verbundenheit mit dem Staat stiege.
«Bei vielen Entscheidungen würde sich wohl zeigen, dass diese Gruppen ganz ähnlich denken wie die angestammten Stimmberechtigten.»
Wohl am wichtigsten aber ist die Wirkung auf die öffentlichen Diskussionen. Je grösser der Anteil politisch interessierter Medienkonsumentinnen und -konsumenten wird, desto attraktiver wird es, über Politik zu berichten und zu diskutieren. Die intensivere demokratische Auseinandersetzung bringt allen vor allem eines: bessere politische Entscheidungen.
Gut für die Standort-Attraktivität
Das Modell könnte auch auf Jugendliche, Berufspendler und Zweitwohnungsbesitzer angewendet werden. Mitsprache könnte ihnen problemlos gegeben werden. Bei vielen Entscheidungen würde sich wohl zeigen, dass diese Gruppen ganz ähnlich denken wie die angestammten Stimmberechtigten. Grössere Meinungsunterschiede hingegen würden den weiteren politischen Prozess befruchten.
Die Standortattraktivität und das internationale Ansehen der Schweiz würden dadurch gestärkt. Zuwanderer hätten schon nach wenigen Jahren so starke politische Rechte, die sie in ihren Heimatländern nicht haben. Wer hier Initiativen und Referenden auslösen kann, wird dieses Recht bald auch in seiner Heimat einfordern. So könnte die Schweiz auch helfen, Demokratie und Lebensqualität in der EU zu fördern.