Vladimir Vladimirovich Putin. Der Name steht schwarz auf weiss auf der Sanktionsliste der Bundesverwaltung. «Listed: SSID 175-49812, Sex: Male, (...) Justification: He ordered a military operation of armed forces. (...) That attack is a blatant violation of territorial integrity.» So sieht es ganz konkret aus, wenn die wirtschaftliche Neutralität aufgegeben wird.
Die Schweiz hat das Staatsoberhaupt einer der fünf Vetomächte des UNO-Sicherheitsrates zur Unperson erklärt und die Beschlagnahmung seiner Vermögenswerte angeordnet. Es ist unschwer zu verstehen, dass die Schweiz damit ihre Hoffnung auf Gute Dienste zwischen Konfliktparteien aufgeben kann.
War es Moral? War es die innenpolitische Meinung? War es eine kalkulierte Schadensbegrenzung? Oder war es der Druck der USA und der EU? Es dürfte eine Kombination dieser vier Faktoren gewesen sein.
Moral: Putins Angriffskrieg gegen ein Nachbarland ist mit nichts zu rechtfertigen. Er wird Häuser und Städte zerstören und viele zivile Personen töten. Erste Kriegsgräuel sind ruchbar.
Innenpolitik: Das Parlament setzte Druck auf. Alle bis auf die SVP waren für harte Sanktionen gegenüber Putins Regime. Wer Russland nicht mit Sanktionen belege, arbeite für Putin – und sei ergo nicht neutral, so der Tenor im Parlament. Selbst die SVP war in zwei Lager geteilt. Stellvertretend sei ein bodenständiger Berner SVP-Nationalrat zitiert: Er sagte, die Schweiz könne vor einem sich anbahnenden Genozid nicht die Augen verschliessen. Neutral sein als Land heisse nicht, die Augen zu schliessen, wenn das Völkerrecht derart verletzt werde.
«Die Schweiz ist so etwas wie ein ziviler Hub für Geschäfte russischer, staatsnaher Firmen geworden.»
Schadensbegrenzung: Der Schaden durch Sanktionen dürfte relativ klein bleiben. Schweizer Investitionen in Russland sind verhältnismässig bescheiden und der Handel im Vergleich zur restlichen Welt ebenso. Die Banken haben bereits seit Freitag, also vor dem Bundesratsentscheid, die US- und EU-Sanktionen im Eigenregime umgesetzt.
Raum und Sicherheit für Putins Geschäfte
Doch ein Faktor sticht besonders hervor: der Druck aus den USA und der EU. Und der hat seinen Grund. Putins Regierung hat über die Jahre viel Vermögen mithilfe von Infrastruktur in der Schweiz angehäuft. Die Schweiz ist so etwas wie ein ziviler Hub für Geschäfte russischer, staatsnaher Firmen geworden. Diese haben mitgeholfen, Putins Staatshaushalt und indirekt das Militär mitzufinanzieren. Staatsnah sind etwa Gazprom, North Stream und Rosneft. Gazproms weltweites Datenzentrum steht nicht in Russland, sondern in der sicheren Schweiz.
Private wie Gunvor, Trafigura und Vitol verkaufen für Putin Öl, Gas und weitere Rohstoffe. Die hiesige Gazprombank wickelt diese Zahlungen ab. Laut dem Rohstoffbericht des Bundes werden 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels über die Schweiz abgewickelt – in Zug, Lugano, Genf und Zürich. Russische Oligarchen konnten sich oder ihre Firmen ansiedeln. Kurzum: Die Schweiz gewährte den Geschäften Putins Raum und Sicherheit.
Nur London habe noch mehr Russland-Geschäfte angesiedelt als die Schweiz, sagen Kenner. Wohl deshalb hat Boris Johnson in London sofort und radikal Schluss gemacht mit ihnen. Das hat die Schweiz, bis am Montag früh, bis zur entscheidenden Bundesratssitzung, nicht getan.
- Elvira Nabiullina: Die Frau mit dem unmöglichen Job
- Die zehn reichsten Russen sind schon 45 Milliarden Dollar ärmer
- Friedenszopf: Basler Grossbäckerei tauft Russenzopf um
- So hart treffen die Sanktionen des Westens Russland bereits
- Nach dem Einmarsch sind die Russen nach Zürich geflogen
- Erdgas gegen Rubel: Drei Punkte über die Folgen von Putins Entscheidung (Abo)
- «Nestlé ist ein taktisch interessantes Ziel» (Abo)
Dieser Umstand fiel den USA und der EU auf. Und so entstand laut Beobachtern erheblicher Druck auf Bern, die russische Finanzinfrastruktur in der Schweiz abzuschalten – bis auf die Geschäfte im Kontext Gas und Öl, die weiter laufen. Hätte die Schweiz es nicht getan, hätten ihr selbst Sanktionen gedroht. Wie schon die Banken es erfahren haben: Mit den USA ist nicht zu spassen.
Der Preis der Geschäfte mit Putin war die vorläufige Aufgabe der Neutralität. Der Bundesrat hat sie nicht aufgegeben, weil er wollte, sondern weil er musste. Hätte er es nicht gemacht, wäre der Schaden weit grösser gewesen als die direkte Sanktionierung Putins.
1 Kommentar
Und warum hat die Schweiz ihre Neutralität entgegen der bisherigen Usanz aufgegeben? Wegen einiger Geschäftsmodelle der Schweiz (Steuerhinterziehungssupport per Gesetz, Lotterbanken) haben wir inzwischen einen derart schlechten Ruf in der Welt, dass auch hinter unserer Neutralität nur noch das Schlechteste vermutet wird. Dem versucht der Bundsart auszuweichen.