International diskutiert wird derzeit, ob Europa und Grossbritannien den Bezug von Öl und Gas einstellen sollten. Damit verbunden wäre der Ausschluss der beiden russischen Banken Gazprombank und Sberbank vom Swift-Netzwerk. Über sie werden derzeit die Zahlungen für Rohstoffe abgewickelt.
Laut amerikanischen Medien hat Joe Biden übers Wochenende von seinem Landsitz aus in Delaware den Spielraum eines Öl- und Gasembargos ausgelotet. US-Aussenminister Antony Blinken sagte am Samstag zu CNN, man «diskutiere sehr intensiv mit unseren europäischen Partnern, wie wir koordiniert russisches Erdöl unter das bisherige Sanktionsregime stellen könnten, unter Berücksichtigung der weltweiten Versorgungslage».
Doch britische Medien heben hervor, wie sehr Kontinentaleuropa vom russischen Öl und Gas abhängig ist. BBC errechnete, dass 40 Prozent aus russischen Quellen stamme. Deutschland bezieht sogar rund die Hälfte seines Gases aus Russland. Italien ist ebenfalls ein grosser Importeur. Dies erklärt den Druck Deutschlands und Italiens, auf eine Ausweitung der Sanktionen zu verzichten.
Derweil arbeitet die EU-Kommission laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fieberhaft daran, den künftigen Bezug von Gas und Öl aus anderen Quellen zu sichern, damit solche Sanktionen in Zukunft möglich würden. Gleichzeitig fliessen jeden Tag Hunderte von Millionen Dollar nach Moskau. Dies erklärt wiederum, warum die USA und gewisse europäische Länder den Bezug von Erdöl und Gas einstellen wollen.
Verwundbare Schweiz
So sagte etwa der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat und Senator Marco Rubio aus Florida: «Es macht keinen Sinn, weiterhin Öl aus Russland zu kaufen und damit den Krieg und diese mörderische Kampagne mit westlichen Geldern mitzufinanzieren.»
Und die Schweiz? Sie wäre von einem Öl- und Gasembargo, also einem Handelsverbot, stark betroffen. 15 Prozent der Energie wird mit Gas produziert, und davon stammen rund 47 Prozent aus Russland. Ein einziger Schweizer Gasspeicher steht in Lyon in Frankreich.
Wie lange dieser ausreichen würde, ist unklar, denn Frankreich könnte das Gas im Notfall beschlagnahmen und selber brauchen.
Energieministerin Simonetta Sommaruga sagte, für diesen Sommer reiche das Gas. Doch diese Aussage gilt unter der Annahme, dass das Gas normal weiterfliesst.
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Bei Öl ist die Exposition kleiner, weil mehr Alternativen bestehen und eine Umstellung schneller möglich wäre. Die Raffinerie Cressier bei Neuenburg stellt etwa einen Viertel des Schweizer Bedarfs an Ölprodukten her. Sie bezieht das Öl vor allem aus Nigeria, den USA und Libyen. Die restlichen drei Viertel der hierzulande konsumierten Erdölprodukte stammen aus der EU. Die dortigen Produzenten wiederum beziehen rund einen Drittel des Rohstoffs aus Russland. Indirekt ist die Schweiz ergo dennoch verwundbar und abhängig.
Knappe Mehrheit im Bundesrat
Ob die Schweiz ein weiteres, verschärftes Sanktionsregime mittragen würde, ist offen. In Bern ist man skeptisch gegenüber Aufrufen von neuen Sanktionen, denn laut diversen Stimmen hatten etliche Bundesräte bereits Mühe bekundet, das dritte und vierte Sanktionspaket mitzutragen.
Die Rede war von einer Drei-zu-vier-Konstellation im siebenköpfigen Gremium, mit Ignazio Cassis, Guy Parmelin und Ueli Maurer auf der ablehnenden Seite.
Spielraum für den Weiterzug von Sanktionen sieht man nur bei kleinen Fragen wie einer erweiterten Sanktionierung von Oligarchen und einem erweiterten Exportverbot gewisser zusätzlicher Güter für die Flug- und Ölindustrie Russlands.
Handelsembargo gegen den Irak
Ein vollständiges Handelsembargo gab es zuletzt im ersten Irakkrieg 1991. Damals beschloss die Schweiz autonom einen vollständigen Boykott aller Handelsbeziehungen mit dem Land, das seinerzeit von Saddam Hussein regiert wurde. Dies tat sie aber nur, nachdem die UNO eine entsprechende Resolution erlassen hatte.
Die Sanktionen liefen über ein Jahrzehnt und wurden 1996 leicht abgeschwächt, um die Versorgung des Landes mit Lebensmitteln und Medikamenten zu gewährleisten. Das Programm hiess damals «Oil for Food».
Eine Quelle im Bundeshaus sagte, dass ein vollständiges Handelsembargo wohl erst ins Auge gefasst werde, wenn sich die Lage im Ukraine-Krieg «massiv» verschlechtere. Es dominiere die Haltung, dass die Schweiz momentan keine weiteren Sanktionen beschliessen wolle.
Mit dem Sanktionspaket von letzter Woche setzte der Bundesrat den russischen Präsidenten persönlich auf die Sanktionsliste. «So etwas gab es bei einem solch wichtigen Land wie Russland bisher nicht», so die gut informierte Quelle aus der Bundesverwaltung.
Das dritte Paket war die direkte Sanktionierung Putins. Damit wurde die wirtschaftliche Neutralität aufgegeben. Das vierte Sanktionspaket (vom letzten Freitag) beinhaltet das Exportverbot für sämtliche doppelt verwendbarer Güter nach Russland – unabhängig vom Endverwendungszweck oder dem Endverwender. Dies gilt insbesondere für Flugzeuge und für Ölförderstätten.
«Es gibt hochspezialisierte Schweizer Firmen, die Zubehör für die Ölförderung exportierten», sagt eine Quelle der Verwaltung. Sie haben die Exporte jetzt gestoppt. Damit sind alle EU-Sanktionen umgesetzt.
Das Paket enthielt ebenfalls das Einreiseverbot und die Kontoblockierung ihrer Guthaben in der Schweiz für weitere wichtige Oligarchen, es waren zwölf, darunter höchst wahrscheinlich Gennadi Timtschenko, der Gründer der Genfer Erdölhandelsfirma Gunvor, Alisher Usmanov und Igor Shuvalov. Umsanov lebte in der Schweiz und wurde vor kurzem noch in Zürich gesichtet.