Es ist bald hundert Jahre her, als in den Walliser Alpen ein paar Ingenieure zu einer Wahnsinnstat ansetzten: 1926 begannen im Val d’Hérémence die Bauarbeiten für die erste Dixence-Staumauer. Ein künstlicher See wurde angelegt, mit dessen Wasser ein Kraftwerk betrieben werden sollte. Später wurde die Talsperre zur zweiten Staumauer «Grande Dixence», die mit ihren 285 Metern bis heute das höchste und imposanteste Bauwerk der Schweiz ist. Aus dem einen Stausee wurde ein Verbundsystem mit Rohren, Pumpen, mehreren Seen und Turbinen. Bei maximaler Leistung produziert dieses System gleich viel Strom wie die AKW Gösgen und Leibstadt zusammen.

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Heute sind solche Projekte in der Schweiz kaum mehr möglich. Sicher auch aus guten Gründen: Die besten Lagen für Kraftwerke sind genutzt, Umweltschutz hat eine höhere Priorität, Menschen lassen sich nicht mehr so einfach umsiedeln wie früher.

Wo immer hierzulande ein Windrad aufgestellt werden soll, beginnt ein jahrelanges Scharmützel vor Kommissionen und Gerichten.

Und doch sollte es uns zu denken geben, wie schwierig es geworden ist, neue Kraftwerke zu bauen. Diese sind dringend nötig. Jedenfalls dann, wenn man den benötigten Strom auch in der Schweiz herstellen möchte. Zwar gibt es beim Stromverbrauch Effizienzfortschritte, doch gleichzeitig lässt die Elektrifizierung den Verbrauch ansteigen. Kurzum: Die Schweiz braucht mehr Strom.

Aber es gibt auch positive Meldungen: Endlich steigt auch in der Schweiz die Menge des Solarstroms an. Und die Kosten für den Strom aus Sonnen- und Windenergie sind gesunken: Grosse Solaranlagen und Windkraftwerke produzieren zu marktfähigen Preisen. Nur nicht in der Schweiz. Denn wo immer hierzulande ein Windrad aufgestellt werden soll, beginnt ein jahrelanges Scharmützel vor Kommissionen und Gerichten. Ebenso schwer haben es Freiflächenanlagen, wie sie mit Blick auf die Winterversorgung in den Alpen angedacht sind. Selbst gegen eine kleine Staumauer beim Walliser Gornergletscher gehen Landschaftsschützerinnen und -schützer vor. Das Reservoir würde Teil der Grande-Dixence-Anlage.

Die Staumauer «Grande Dixence»: Ein Riesenprojekt, das vor fast 100 Jahren umgesetzt wurde, heute jedoch keine Chancen mehr hätte.

Die Staumauer «Grande Dixence»: Ein Riesenprojekt, das vor fast 100 Jahren umgesetzt wurde, heute jedoch keine Chancen mehr hätte.

Quelle: Hérémence Tourisme

Das Stromgesetz, über das am 9. Juni abgestimmt wird, soll solche Projekte erleichtern und Anreize schaffen, die Stromproduktion oder Speicher für das Winterhalbjahr gezielt auszubauen. Und das ist gut so. Alle grossen Parteien bis auf die SVP unterstützen denn auch das Gesetz.

Die Alternative hiesse mehr Import von Strom aus dem Ausland. Schafft es die Schweiz nicht, die hiesige Produktion auszubauen, macht sie sich weiter abhängig von französischem Atomstrom, deutschem Wind- und Kohlestrom oder Solarstrom aus Italien. Und damit letztlich von der EU. Denn der Stromhandel funktioniert nach europäischen Regeln. Ausgerechnet die Heimatschützerin SVP wird mit ihrem Nein indirekt zur grössten Promotorin einer weiteren Integration in den EU-Binnenmarkt.