Der Streit um die Abstimmung dreht sich um die Frage, ob die AHV-Revision auf Kosten der Frauen erfolgt. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) behauptet dies. «Der AHV-Abbau erfolgt auf dem Rücken der Frauen», steht auf seiner Kampagnen-Website. Die Rede ist von 7 Milliarden Franken, die die Frauen zur Reform beisteuern. Prominent wird Stimmung gemacht mit einer vermeintlichen «Rentenlücke der Frauen». Doch Tatsache ist: Männer bezahlen weit mehr als Frauen und beziehen weit weniger aus der ersten Säule der Altersvorsorge. Wie sehen die Verhältnisse im Detail aus?
Männer finanzieren 66 Prozent der jährlichen Lohnbeiträge an die AHV, Frauen 34 Prozent. Umgekehrt ist es bei den Leistungen: Frauen beziehen 55 Prozent der ausbezahlten AHV-Renten, während Männer bloss 45 Prozent erhalten.
In Zahlen jährlich: 19,4 Milliarden Franken stammen von Männern, 10 Milliarden von Frauen. Die Differenz von 9,4 Milliarden geht also zulasten der männlichen Angestellten. Frauen erhalten jährlich rund 24 Milliarden Rente, Männer rund 20 Milliarden.
Mit anderen Worten: Das AHV-Rentensystem ist eine Umverteilungsmaschine von Männern zu Frauen. «Es ist richtig, dass Frauen weniger Beiträge an die AHV zahlen und mehr Leistungen aus der AHV erhalten», sagt Ann Barbara Bauer, beim Bundesamt für Sozialversicherungen zuständig für Mathematik, Analysen und Statistik. Darüber sagt der Gewerkschaftsbund nichts.
Frauen verdienen weniger und leben länger
Was sind die Gründe für das finanzielle Ungleichgewicht der AHV zwischen Geschlechtern? Auf der Einnahmenseite sind es Lohnfaktoren: Frauen verdienen im Durchschnitt weniger, ergo bezahlen sie weniger in die AHV. Sie haben im Durchschnitt tiefere Löhne, tiefere Beschäftigungsgrade und ein tieferes Rentenalter als Männer.
Laut Bundesamt für Statistik (BfS) waren die Lohnunterschiede 2021 wie folgt: Männer verdienten im Schnitt jährlich 84’000 Franken und Frauen 54’000 Franken (Medianwert). Bei Vollzeitpensen sind die Unterschiede weniger markant, rund 86’000 versus 73’000 Franken jährlich. Dieser Unterschied ist nicht mit Lohndiskriminierung zu erklären, sondern mit unterschiedlichen Berufskarrieren, wobei Männer typischerweise öfter in besser bezahlten Branchen oder Funktionen arbeiten als Frauen. Unterschiede könnten «durch objektive Faktoren wie berufliche Stellung, Dienstjahre oder Ausbildungsniveau erklärt werden», heisst es in einer Analyse des Büros für Gleichstellung von Mann und Frau des Bundes von 2018.
Auf der Ausgabenseite sind es Rentenfaktoren: Frauen gehen früher in Rente als Männer, sie haben eine höhere Lebenserwartung als Männer (um rund 4 Jahre), und der Verwitwetenzuschlag schenkt auf der Leistungsseite ein, denn Ehemänner sterben oft früher als Ehefrauen. Früher war die Bilanz noch ungleicher, als sie es heute ist: Vor zwanzig Jahren bezogen Männer bloss 39 Prozent der Rente, Frauen 61 Prozent. Männer starben noch früher als heute. In Zahlen: Die Männer erhielten 840 Millionen Franken Renten jährlich, Frauen 1,34 Milliarden. Die Umverteilung über die AHV von Männern zu Frauen ist strukturell.
Der Frauenbeitrag an die Sanierung
Die vom Gewerkschaftsbund genannte Zahl von 7 Milliarden Franken Sanierungsbeitrag der Frauen meint die Einsparungen aufgrund der Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre. Laut Bund ist die korrekte Zahl allerdings nicht 7 sondern 6,2 Milliarden innert zehn Jahren ab Umsetzung. Hier flunkert der Gewerkschaftsbund also.
Der Einsparungsbetrag kommt zustande als Differenz der jährlich eingesparten Renten (neu Rentenalter 65) minus Ausgleichszahlungen an die betroffenen Frauen während zehn Jahren, so lange läuft die Reform. In Zahlen: 9 Milliarden minus 2,8 Milliarden gleich 6,2 Milliarden. Setzt man diesen Beitrag der Frauen zur Reform ins Verhältnis zu den jährlichen Mehrkosten der Männer in die AHV (siehe oben), so kommt man zu einer frappierenden Erkenntnis: Frauen beteiligen sich in zehn Jahren mit 6,2 Milliarden Franken an der Sanierung, während Männer jährlich 9,4 Milliarden strukturell beisteuern. Mit der Reform dürfte dieses Ungleichgewicht etwas kleiner werden, aber nicht wesentlich kleiner.
Frauen beteiligen sich in zehn Jahren mit 6.2 Milliarden Franken an der Sanierung, während Männer jährlich 9.4 Milliarden mehr als Frauen beisteuern.
Allein diese Relation zeigt, wie gesucht die Polemik um die AHV-Rentenlücke der Frauen ist. Schon eher wahr ist, dass diese AHV-Rentenreform zu mehr Fairness zwischen Männern und Frauen führen wird, sofern sie vom Volk angenommen wird.
Der prominente Vertreter der Befürworter der AHV-Reform, der Zürcher Nationalrat Andri Silberschmidt, sagt: «Die Zahlen zeigen klar, dass es keine Diskriminierung der Frau in der AHV gibt – im Gegenteil.» Die von den Vorlagegegnern und -gegnerinnen geführte Geschlechterdebatte sei konstruiert. «Fakt ist, dass die heutige Gesetzgebung nur eine Ungleichheit beim Rentenalter vorsieht, sonst aber die Geschlechter im Gesetz gleichgestellt sind.»
2 Kommentare
Ihre Rechung ist bestenfalls ein grobe Näherung und vielleicht sogar falsch. Die Lohnbeiträge sind ja nur ein Teil der Finanzierung. Die AHV bekommt ja noch jede Menge Geld aus allen möglichen Steuertöpfen, die Sie nicht Männern und Frauen zuordnen können. Die Argumentation der Gegner ist allerdings komplett schief, falsch und irreführend.
Endlich sagt es einer im Klartext (samt Grafiken). Das müsste die Ja-Seite längst so klar kommunizieren. Aber die Nein-Seite kommt mit Argumenten, die schlicht und ergreifend unwahr bis gelogen daherkommen. Zudem mischen sie laufend die 1. und 2. Säule durcheinander. Jetzt gehts um die AHV. Und sonst gar nichts.
Ich hoffe ja, dass sich die Linken beim BVG ebenso ins Zeug legen werden und den längst überfälligen Koordinationsabzug bodigen und für einen gleichbleibenden Beitrag während der gesamten Arbeitsdauer kämpfen. On verra..