Angesichts der grossen Zukunftsthemen werden Steuer- und Abgabendiskussionen die Politik der kommenden Jahre dominieren. Dabei werden Weltanschauungsfragen im Vordergrund stehen.
Was die Diskussion versachlichen könnte, wäre eine solide Darstellung dessen, wer in diesem Land wie stark fiskalisch belastet wird und wer profitiert. In der Schweiz fehlt diese essenzielle Information aber bis heute.
Klaus W. Wellershoff ist Ökonom und leitet das von ihm gegründete Beratungsunternehmen Wellershoff & Partners. Er war Chefökonom der UBS und unterrichtet Nationalökonomie an der Universität St. Gallen.
Wer die aktuelle Diskussion zu Altersversorgung, Klimawandel und Vermögensungleichheit verfolgt, muss sich Sorgen machen. Allerdings weniger darum, dass wir als Gesellschaft nicht unserer Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt gerecht werden.
Die Sorge gilt vielmehr der Frage, welche Konsequenzen unser Einstehen für eine bessere Welt haben könnte. Dort fehlt es der Diskussion am Grundverständnis davon, wie unsere Gesellschaft wirtschaftlich funktioniert, und darüber hinaus schlichtweg an grundlegenden Daten.
Wo kein Privateigentum ist, geht es Armen noch schlechter
Zu unserem Wissen, wie Wirtschaft funktioniert, gehört, dass die Grundlage dafür, dass es allen gut geht, das Privateigentum ist. Das gilt paradoxerweise gerade für diejenigen, die wenig ihr Eigen nennen können. Staaten, in denen es Privateigentum nicht gibt oder in denen es nicht effektiv durch das Rechtssystem geschützt ist, sind und waren in der Geschichte immer Gesellschaften, in denen es auch und vor allem den Armen schlecht ging.
Privateigentum ist nicht die einzige Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Gerechtigkeit ist ebenso zentral. Es braucht das Empfinden der Gesellschaft, dass es gerecht zugeht, weil sonst die Menschen nicht mehr mitmachen. Arbeitsverweigerung kann die Folge sein. Übrigens nicht nur bei Arbeitnehmenden, sondern auch bei Arbeitgebern.
Das Gefühl der Ungerechtigkeit macht die Gesellschaft insgesamt instabil.
«Privateigentum ist eine Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft. Ebenso zentral ist Gerechtigkeit.»
Um Privateigentum und Gerechtigkeit zu garantieren, braucht es den Staat. Der demokratische Staat ist eine Organisationsform, die es uns erlaubt, einen Konsens darüber zu finden, wie wir miteinander umgehen und wie wir leben wollen. Die Dinge, die es zu regeln gilt, sind mannigfaltig und nicht nur wirtschaftlicher Natur.
Für seine Aufgaben braucht der Staat Mittel, die wir durch Steuern und Abgaben erheben. Dabei empfinden wir es als gerecht, dass diejenigen, die mehr an Einkommen und Vermögen haben, einen grösseren Beitrag leisten als die, die weniger haben. Die zentrale Frage aber – wie viel mehr? – ist umstritten.
Vieles liegt im Dunkeln
Leider krankt diese Diskussion um die Verteilung der Steuerlast an zwei wichtigen Punkten. Erstens diskutieren wir das Thema immer nur an einzelnen Steuerfragen und nie in seiner Gesamtheit. Ab welchem Prozentsatz widersprechen Steuern dem Grundsatz des Schutzes des Eigentums? Wie viel Umverteilung braucht es, damit die Gesellschaft als gerecht empfunden wird?
Um das überhaupt diskutieren zu können, braucht es zweitens Transparenz darüber, welche Bevölkerungsgruppe wie viel an Steuern bezahlt und wie viel sie vom Staat an Transfers zurückbekommt.
Es ist erstaunlich, dass es in dieser für unsere Gesellschaft so zentralen Frage in der Schweiz keine belastbaren aktuellen Daten gibt, die alle Ebenen des Staates berücksichtigen.
Vielleicht wäre es eine Initiative wert, den Staat zu verpflichten, den Bürgern und Bürgerinnen reinen Wein über die Zahlungsströme im Land einzuschenken. Das Schaffen einer Grundlage für die wichtigen Steuerdiskussionen der Zukunft wäre allemal besser, als mit polarisierenden Initiativen in Serie die Gesellschaft zu spalten.