Ab Montag sind im Innern wieder private Treffen mit zehn statt wie bisher fünf Personen möglich. Auf weitere Lockerungen verzichtet der Bundesrat vorerst - trotz des immensen Drucks von Politik und Wirtschaft. Er verweist auf die anrollende dritte Corona-Welle.

Vor einer Woche hatte der Bundesrat neben der Aufhebung der Fünf-Personen-Regel unter anderem die rasche Öffnung der Restaurantterrassen, Sport in Innenräumen und Kultur- und Sportveranstaltungen mit wenig Publikum in Aussicht gestellt.

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Kantone und das Parlament machten Druck

Das entspricht den Forderungen eines Grossteils der Kantone und der Wirtschaftsverbände. Auch das Parlament hatte in der Frühjahrssession verschiedentlich Druck auf den Bundesrat ausgeübt, den Betrieben und Betroffenen mehr Perspektiven zu bieten.

«Der Bundesrat hat diese Stellungnahmen diskutiert, ebenso die Erklärung des Nationalrats, die weitergehende Öffnungen verlangt», teilte die Landesregierung am Freitag mit. Jedoch lasse die epidemiologische Lage den zweiten Öffnungsschritt nicht zu. Die Infektionszahlen stiegen kontinuierlich, die Lage verschlechtere sich zusehends.

Die Zahlen zeigen in die falsche Richtung

Derzeit ist laut der wissenschaftlichen Covid-Taskforce des Bundes mit einer Verdoppelung der Ansteckungen alle drei bis vier Wochen zu rechnen. Der Bundesrat verweist zudem auf die Situation in sämtlichen Nachbarländern. Dort stiegen die Zahlen, obwohl dort die Massnahmen zum Teil deutlich strenger seien als in der Schweiz.

Drei der vier Richtwerte, an denen sich der Bundesrat orientiert, werden seit mehreren Tagen nicht erfüllt. Konkret ist die 14-Tage-Inzidenz auf über 200 pro 100'000 Einwohnerinnen und Einwohner angestiegen, die Positivitätsrate liegt über 5 Prozent, und die Reproduktionszahl liegt mit 1,14 deutlich über 1. Einzig die Auslastung der Intensivpflegeplätze mit Covid-19-Patientinnen und -Patienten liegt unter dem festgelegten Richtwert.

Zu hohe Risiken

Bei einem umfassenden Öffnungsschritt sei das Risiko eines unkontrollierten Anstiegs der Fallzahlen derzeit zu gross, schreibt der Bundesrat. Ausserdem seien noch zu wenige Menschen geimpft, um einen starken Anstieg der Hospitalisationen zu vermeiden.

Ziel sei es, die gute Ausgangslage für die Impfkampagne in den nächsten Monaten und für einen nächsten Öffnungsschritt nach Ostern zu erhalten.

«Wir wollen jetzt nicht öffnen und dann wieder schliessen müssen», sagte Bundesrat Alain Berset am Mittwoch.

Gefährliche Virusvarianten

Am 14. April will der Bundesrat darüber entscheiden, ob der vergangene Woche skizzierte Öffnungsschritt danach in Kraft treten kann. Ein Zückerchen gibt es schon heute: Die Einschränkung für Treffen im Familien- und Freundeskreis in Innenräumen wird von fünf auf maximal zehn Personen gelockert. Das dürfte vor allem Familien freuen, die in grösserem Rahmen das Osterfest begehen können.

Doch der Bundesrat steht auch hier auf die Bremse: «Es ist weiterhin grosse Vorsicht geboten, und es wird empfohlen, die Treffen auf wenige Haushalte zu beschränken.» Zudem solle die Möglichkeit genutzt werden, sich vor privaten Treffen testen zu lassen.

Es gebe «Hinweise, dass die neuen Virusvarianten nicht nur viel ansteckender, sondern auch tödlicher sind», schreibt der Bundesrat. Mittlerweile seien die neuen Varianten für über 80 Prozent der Infektionen in der Schweiz verantwortlich. Die Entwicklung muss deshalb laut dem Bundesrat noch etwas abgewartet werden, bevor weitere Öffnungen erfolgen.

Richtwerte für erneuten Shutdown

Der Bundesrat bereitet sich auch auf den Worst Case vor - also auf den Fall, dass die epidemiologische Lage erneute Schliessungen erfordern würde. Er definierte neue Richtwerte. Diese stellten keinen Automatismus dar, sondern dienten als Grundlage für einen allfälligen Entscheid, schreibt er dazu.

So lange noch nicht alle Personen aus Risikogruppen geimpft sind (erste Phase), sind laut der Regierung strengere Richtwerte nötig. Im Zentrum steht eine 14-Tage-Inzidenz von 350. Weitere Richtwerte betreffen die Auslastung der Intensivplätze mit Covid-19-Patienten, die Einweisungen in Spitäler und die Reproduktionszahl.

Wenn alle Personen aus Risikogruppen geimpft sind (zweite Phase), können weniger strenge Richtwerte akzeptiert werden. Die Entwicklung der Epidemie müsse aber unter Kontrolle sein, schreibt der Bundesrat. Wenn alle impfwilligen Personen geimpft sind (dritte Phase), dürften gemäss heutiger Einschätzung des Bundesrats keine Schliessungsmassnahmen und auch keine Richtwerte mehr nötig sein. Vorbehalten bleibe die Reaktion auf allfällige neue Virusvarianten.

Vorsichtige Voten im Vorfeld

Gemessen am Druck der Öffentlichkeit ist der defensive Entscheid des Bundesrats überraschend, gemessen an den getroffenen Aussagen von Bundesräten und Verwaltungsexperten in dieser Woche jedoch nicht. Gesundheitsminister Alain Berset zum Beispiel sagte am Mittwoch, dass es derzeit nicht gut aussehe. «Wir wollen jetzt nicht öffnen und dann wieder schliessen müssen.»

Es spreche derzeit viel für eine dritte Welle, sagte auch Patrick Mathys, Leiter Sektion Krisenbewältigung beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), am Dienstag vor den Medien. Die täglich publizierten Viruszahlen bestätigten diese Einschätzung.

Ein definitives Nein zu neuen Lockerungen bedeuteten diese Zahlen jedoch nicht. Der Bundesrat könne sich auch über diese Kriterien hinwegsetzen, hatte Bundespräsident Guy Parmelin vor einer Woche gesagt. Die Schweiz kenne kein Ampelsystem und auch keinen Automatismus. So hätte der Bundesrat auch unter den gegebenen schlechten Zahlen entscheiden können, die angekündigten Lockerungen wenigstens teilweise zu vollziehen.

(sda/mbü)