Immer mehr Leute verstehen: Das schnelle Bevölkerungswachstum infolge Personenfreizügigkeit bringt Wohnungsknappheit, Verbetonierung der Natur, Staus, Stromknappheit im Winter, ein Verfehlen der CO₂-Reduktionsziele, Überlastung der Spitäler, Lehrermangel et cetera. 

Wer will trotzdem ernsthaft Personenfreizügigkeit? Wichtig sind hier die weltoffenen Basler und ihre Pharmaindustrie. Typisch ist, wie der Präsident des Pharmaverbands und Roche-Spitzenmanager Jörg-Michael Rupp kürzlich eine Frage der NZZ zur zunehmenden Zuwanderungsskepsis beantwortete: «Hier in Basel, wo ich lebe und arbeite, spüre ich davon nichts.» Wie kann das sein? 

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Der Gastautor

Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von Crema – Center for Research in Economics, Management and the Arts.

Die Schweiz hatte seit Einführung der Personenfreizügigkeit von 2001 bis 2023 ein Bevölkerungswachstum von 22,0 Prozent. Der Kanton Freiburg hatte sogar 39,8 Prozent. Und Basel-Stadt? Es ist der Kanton mit dem weitaus tiefsten Bevölkerungswachstum von bloss 3,8 Prozent. Herr Rupp ist also nicht gefühllos. Auch Basel-Land verzeichnete «nur» 14,2 Prozent. Der Einwand, Basel sei halt ein Stadtkanton, wird vom Kanton Genf mit 24,8 Prozent oder von der Stadt Zürich mit 23,5 Prozent pulverisiert. Und lustig: Trotz Miniwachstum haben die Basler unterschwellige Zuwanderungspanik und 2022 den Wohnraummarkt kaputtreguliert – als Schutzwall gegen Miet- und Zuwanderungsdruck: Freizügigkeit nur für Grenzgänger und Reiche, dafür kaum noch Wohnungen für die eigenen Jungen.

Faul ist auch, wie mit der Demografiekeule für die Personenfreizügigkeit argumentiert wird: Ohne Zuwanderung würde die Schweiz überaltern, die Bevölkerung schrumpfen, der Arbeitskräftemangel verschärft – und es könne uns im Alter niemand pflegen. Doch zuwandernde Pfleger sind wie andere Zuwanderer. Sie füllen freie Arbeitsplätze, aber ihre Lebensbedürfnisse schaffen noch mehr neue Arbeitsplätze und damit noch mehr Fachkräftemangel. Umgekehrt würden mit weniger Zuwanderung mehr Inländer für die Pflege frei. Und die Pflegejobs würden dann dank Marktdruck attraktiver. 

Die Demografieangst ist verfehlt. Die öffentlichen und privaten Pflegekosten pro verstorbene Person betragen total um die 150’000 Franken. Hingegen betragen allein die öffentlichen Ausbildungskosten pro auszubildende Person total um die 440’000 Franken. Wenn also die Kinderzahl schrumpft, erlauben die finanziellen und personellen Einsparungen im Erziehungswesen, die Alterspflegelast zu tragen. 

Eine schrumpfende Bevölkerung arbeitet nicht nur weniger, sondern braucht auch weniger Konsum und Investitionen und damit weniger Arbeit. In vielen Bereichen brächte ein Schrumpfen der Bevölkerung eine willkommene Entlastung der übernutzten Infrastruktur. Probleme gäbe es nur, wenn die Bevölkerung sehr schnell und überraschend schrumpfen würde. Aber selbst bei Netto-null-Zuwanderung und der halben Geburtenzahl von heute würde die Bevölkerung jährlich nur um 0,4 Prozent sinken. Die Infrastrukturplanung könnte sich problemlos anpassen, und die gesunden Alten könnten dank Steuerrabatten problemlos länger arbeiten. Zudem ist die Alternative zur Personenfreizügigkeit nicht Abschottung und Null-Zuwanderung, sondern eine kluge Steuerung und Optimierung der Zuwanderung, am besten mit einer Aufenthaltsgebühr für Neuzuwanderer.