Indien hat China als grössten Baumwollproduzenten der Welt überholt. Verschiedene Initiativen wollen die Bedingungen für Millionen Arbeiter verbessern. Ein Streitpunkt: Wie viel Marktwirtschaft verträgt die Branche?

Die Pflanzen sind selten deutlich höher als einen Meter. Zwischen Oktober und Februar laufen Millionen Menschen über Felder in Indien, um die weissen Büschel von den Baumwollpflanzen zu pflücken.

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Mehr und besser produzieren

In keinem Land der Welt wird mehr Baumwolle angebaut. Gleichzeitig ist der Anbau in Indien aber auch der am wenigsten effiziente unter den Grossproduzenten. Westliche Konzerne wollen das ändern und dabei zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn mit einer höheren Produktion soll auch das Einkommen der oft prekär lebenden Baumwollbauern steigen.

Katharine Stewart vom irischen Kleidungs-Discounter Primark gehört zu denen, die daran arbeiten. Gerade ist sie aus dem indischen Bundesstaat Gujarat zurückgekehrt. Dort hat sie ein Programm für Baumwollbäuerinnen besucht, das der Konzern vor drei Jahren ins Leben gerufen hatte.

Erste Erfolge

Seit 2013 unterrichtet Primark, das selbst immer wieder Vorwürfe von Billigarbeit zurückweist, dort zusammen mit einer Frauengewerkschaft und einer Beratungsfirma für nachhaltige Lieferketten gezielt Bäuerinnen, die Baumwolle anbauen – und meldet Erfolg.

Seitdem habe sich das durchschnittliche Einkommen der Frauen mehr als verdreifacht, es würden nur noch zwei Drittel der zuvor genutzten Chemikalien eingesetzt und 10 Prozent weniger Wasser verwendet. Ganz ohne Subventionen, einfach durch Schulungen, bessere Anbautechniken und mehr Kooperation.

«Wir arbeiten daran, die Sichtweise zu ändern, dass nachhaltige Baumwolle teurer sein muss», sagt Alison Ward, Chefin von CottonConnect, der Beratungsfirma, mit der Primark bei dem Projekt kooperiert. Das Programm sei ein solcher Erfolg, dass die Zahl der Teilnehmerinnen kürzlich deutlich ausgeweitet wurde – von gut 1200 auf mehr als 10'000.

Noch Tropfen auf den heissen Stein

Diese Zahlen verblassen jedoch vor dem indischen Gesamtmarkt. Bis zu neun Millionen Baumwollbauern gibt es dort laut Schätzungen der Better Cotton Initiative (BCI), einem Zusammenschluss aus Firmen der Textilwirtschaft, der ebenfalls neue Standards beim Anbau durchsetzen will.

Auch die BCI setzt vor allem auf die Weiterbildung der Landwirte, ohne höhere Preise für ihre Produkte zu zahlen. Das Ziel ist auch hier, durch bessere Anbaumethoden die Produktion zu erhöhen und gleichzeitig den Verbrauch von Chemikalien und Wasser zu reduzieren. Nach eigenen Angaben erreichte die BCI damit in der laufenden Saison immerhin rund 450'000 indische Baumwollbauern. Bis zu 8 Prozent der indischen Produktion erfolge so nach BCI-Standards. Weltweit erreiche man knapp 12 Prozent.

Damit ist der BCI der am schnellsten wachsende weltweite Standard beim Anbau von Baumwolle. Bis 2020 will der Zusammenschluss 30 Prozent der weltweiten Produktion unter der Dachmarke vereinen. «Wenn wir diese Marke erreichen, kann BCI zu einem weltweiten Standard werden», sagt Vinay Kumar vom BCI-Büro in Neu Delhi.

Umstrittene Labels

Für Tim Zahn vom Textilbündnis, in dem sich unter der Schirmherrschaft des deutschen Ministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung verschiedene Firmen und Organisationen zusammengeschlossen haben, geht die BCI aber nicht weit genug.

«Ein grosser Kritikpunkt ist, dass die BCI genmanipuliertes Saatgut erlaubt», sagt er. «Und auch Alleingänge von Unternehmen können problematisch sein. Sie machen es hinterher schwieriger zu unterscheiden, welche Standards glaubwürdig sind und welche nicht.»

Umfangreicher kontrolliert zum Beispiel Fairtrade, welches das international bekannte gleichnamige Siegel vergibt. Hier ist keine Gentechnik erlaubt, zudem müssen über die gesamte Lieferkette Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen nachgewiesen werden. Mehr als vier Fünftel aller Fairtrade-Baumwolle kommt aus Indien. Das Siegel erreicht mit gut 30'000 Bauern jedoch deutlich weniger als BCI.

Fairtrade zum Normalpreis

Neben den strengeren Auflagen vertraut Fairtrade zudem nicht nur auf die Kräfte des Marktes. Wer mit dem Siegel kauft, zahlt einen Aufpreis, über dessen Verwendung die Landwirte demokratisch entscheiden. Angenommen wird das aber nicht überall: Nur knapp die Hälfte der zu Fairtrade-Bedingungen produzierten Baumwolle wird auch mit dem entsprechenden Aufpreis verkauft. Der Rest wechselt zu normalen Marktpreisen und ohne Siegel den Besitzer.

(sda/jfr)