Der Putin-Kritiker Boris Nemzow ist in Moskau auf offener Strasse ermordet worden. Der 55-Jährige sei von vier Schüssen in den Rücken getroffen worden, teilte das russische Innenministerium mit. Eine Polizei-Sprecherin ergänzte, Nemzow sei in Begleitung einer Ukrainerin unweit des Kremls auf einer Brücke über die Moskwa unterwegs gewesen. Oppositionelle würdigten Nemzow als Kämpfer für die Wahrheit. Am Sonntag sollte er an einer Gross-Demonstration gegen die russische Ukraine-Politik teilnehmen.

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Die Tat ereignete sich den Regierungsangaben zufolge am Freitag kurz vor Mitternacht (Ortszeit). Der Nachrichtenagentur TASS zufolge wollte Nemzow nach dem Abendessen in einem Restaurant am Roten Platz noch einen Spaziergang machen. Laut Polizei wurden die Schüsse aus einem vorbeifahrenden, weissen Auto abgefeuert. Die Täter seien auf der Flucht. Die Nemzow-Begleiterin blieb unverletzt.

«Erschossen, weil er die Wahrheit sagte»

Ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin verurteilte die Tat als brutalen Mord. Demnach handele sich womöglich um einen Auftragsmord. Der Präsident sei schnell informiert worden und habe die Sicherheitskräfte angewiesen, Untersuchungen einzuleiten. Die Polizei sperrte die Umgebung ab und begann weniger als zwei Stunden nach dem Attentat damit, den Tatort vom Blut zu reinigen. Menschen legten in der Nähe Blumen nieder.

Der Kreml-Kritiker Michail Kasjanow sagte Reportern, es könne nur eine Deutung der Tat geben: «Er wurde erschossen, weil er die Wahrheit gesagt hat.» Kasjanow war unter Putin einst Ministerpräsident. Der Oppositionelle und ehemalige Schachweltmeister Garri Kasparow warf Putin über Twitter vor, «ein Klima des Hasses und der Gewalt» im In- und Ausland geschaffen zu haben.

«Putins Diktatur»

«Blutvergiessen ist die Voraussetzung, um Loyalität zu beweisen», erklärte er weiter. «Dann gehört man dazu.» Es sei daher egal, ob Putin selbst den Befehl zur Ermordung von Nemzow gegeben habe: «Es ist Putins Diktatur.»

Dagegen warnte der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. «Gewisse Kräfte werden die Tötung zu ihrem eigenen Vorteil nutzen», erklärte er. «Sie überlegen, wie sie Putin loswerden können.»

Opposition ausserhalb der Städte mit wenig Unterstützung

Nemzow wurde zuletzt mit den Worten zitiert, Putin würde ihn womöglich gerne tot sehen wegen seiner Opposition gegen die russische Ukraine-Politik. Diese soll auch bei der Demonstration am Sonntag Thema sein. Regierungskritiker erinnerten daran, dass Nemzow immer wieder Drohungen erhalten, stets aber zusätzliche Sicherheitsmassnahmen abgelehnt habe. Nemzow war Ende der 90er Jahre kurzzeitig stellvertretender Ministerpräsident unter Putins Vorgänger Boris Jelzin.

Er hat sich auch im Kampf gegen die Korruption im Land einen Namen gemacht. Zuletzt wurden zum Beispiel die hohen Ausgaben für die Olympischen Winterspiele in Sotschi angeprangert. US-Präsident Barack Obama hatte ihn 2009 während einer Reise nach Moskau getroffen.

USA: Nemzows Einsatz gegen Korruption bewundernswert

Die US-Regierung forderte am Freitag, die Verantwortlichen für den Mord zur Rechenschaft zu ziehen. Nemzows Einsatz gegen die Korruption sei bewundernswert, hiess es weiter. Russland verliere mit ihm einen der stärksten Kämpfer für die Rechte des Volkes.

Mit seiner Kritik erreichte Nemzow vor allem Intellektuelle in Moskau. Ausserhalb der grossen Städte haben die Putin-Gegner aber wenig Unterstützung. Nemzow ist mit Abstand die bekannteste Figur der Opposition, die in der mittlerweile 15-jährigen Amtszeit des Präsidenten in Russland getötet worden ist.

Regierungskritiker leben gefährlich

Die Journalistin und Regierungskritikerin Anna Politkowskaja wurde 2006 vor ihrer Wohnung in Moskau erschossen. Der frühere Chef des Öl-Konzerns Yukos, Michail Chodorkowski, sass jahrelang im Gefängnis. Der kritische Blogger Alexej Nawalni verbüsst eine 15-tägige Haftstrafe. Kasparow lebt im Ausland.

(reuters/moh)