Der Bund und die Nationalbank riskieren über 200 Milliarden Franken für die Entsorgung der CS. Hauptgrund: Sie haben deren Siechtum zu lange zugeschaut, statt frühzeitig echte Lösungen anzustreben. Da fragt sich: Welche Probleme verschlafen wir andernorts?
Die Schweiz ist dank insgesamt vernünftiger Politik extrem reich: Ihr Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist zu laufenden Wechselkursen umgerechnet gut 80 Prozent und zu Kaufkraftparität rund 30 Prozent höher als in Deutschland. Aber weil ihre Staatsquote richtig gerechnet fast so hoch ist wie in Deutschland, sind auch ihre Staatsausgaben pro Kopf in den meisten Bereichen 80 beziehungsweise 30 Prozent höher als in Deutschland. Diese riesigen Ausgaben übertünchen viele Versagen. Deshalb ist unklar, wie gut der Schweizer Staat wirklich ist. War die Corona-Politik gut? Sind unsere Schulen gut? Ist unser ÖV gut? Vielleicht. Aber sind sie 80 oder auch nur 30 Prozent besser als die Deutschen? Da ist Zweifel angebracht.
Das Versagen bei den Bundesbahnen
Ein Übertünchungsopfer sind die SBB. Sind sie pünktlicher als die deutsche DB? Angeblich ja. Aber ist es schwierig, mit so viel Subventionen auf den kurzen Fahrten in der Schweiz pünktlicher zu sein als auf den langen in Deutschland? Das grösste Problem der SBB sind die neuen Fernverkehr-Doppelstockzüge FV-Dosto. Die SBB haben in sie wohl schon weit über 2 Milliarden Franken investiert. Trotz jahrelangen Besserungsversprechen ist und bleiben die Züge für die Passagiere eine Zumutung. Sie schütteln in Kurven und geradeaus so stark, dass viele Passagiere kaum noch arbeiten und entspannen können.
Zudem ist die Klimatisierung hundsmiserabel, sodass ihr Fahrkomfort insgesamt weit schlechter als in den Vorgängermodellen ist. Ausländische Gäste fragen mich regelmässig, wie die Qualität der SBB so abstürzen konnte. Da kann ich ihnen nur antworten, dass der FV-Dosto nach den Plänen der SBB noch zwanzig bis dreissig Jahre ihr Hauptverkehrszug sein soll und die SBB als hochsubventionierte Monopolistin damit das Wohl ihrer Kunden, den Ruf der Schweiz sowie ihren Tourismus schwer schädigen und die Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene gefährden. Was also tun?
Die Entsorgung der CS weist den Weg. Das Problem FV-Dosto muss jetzt und schnell gelöst werden – bevor es den ganzen ÖV ansteckt. Der Bund muss die SBB mit einem Notpaket vom FV-Dosto befreien und sie dann in den freieren Wettbewerb entlassen. Zuerst sollen die alten Züge wieder her, brauchbare neue gekauft und versucht werden, den FV-Dosto zu verkaufen. Falls ihn niemand will – was zu befürchten ist – bleibt nur eines: Der FV-Dosto muss entsorgt werden.
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und regelmässiger Kolumnist der «Handelszeitung». Die in den Kolumnen vertretenen Ansichten können von jenen der Redaktion abweichen.
2 Kommentare
Ich frage mich, welcher Teufel diesen Professor reitet. Der FV-Dosto ist der innovativste, pünktlichste, energieeffizienteste und punkto Passagierbeförderung pro gefahrenem Kilometer wirtschaftlichste Zug der SBB. Zudem ist er ein Hingucker, der aus dem Stadler-Einerlei heraussticht. Statt in pauschale Kritik am FV-Dosto einzustimmen wäre von professoraler Seite etwas mehr Objektivität erwünscht. Aber eben, Ursachenanalyse (z.B. Mängel im überrissenen Anforderungskatalog des Beschaffungsverfahrens, Mondforderungen im Werkliefervertrag, Drittursachen des Verzuges (z.B. zwei Beschwerdeverfahren der Behindertenverbände trotz 1:1 Maquette in der Planungsphase, ausgeufertes Change-Management verfahren mit über 400 Änderungsanträgen, etc.) ist aufwändig und mühsam.
Die Folgekosten dieses FV-Dosto Abenteuers wird infrastrukturseitig eine weitere Milliarde kosten. Zusätzlich 60 neue Züge nochmals 2 Mia. Der finanzielle Gesamtschaden beläuft sich also auf eine Grössenordnung von 3 Milliarden. Neben der CS doch ein Kleckerbetrag…