Wäre Albert Rösti ein Sozialdemokrat, würde man seine Passivität im Post-Dossier verstehen. Seine Vorgängerin Simonetta Sommaruga putzte Vorstösse aus dem Parlament gerne ab, wenn gefordert wurde, der Bundesrat solle die Post bei Firmenkäufen einschränken. Der unter ihr eingesetzte Konzernchef Roberto Cirillo hat es allerdings auf die Spitze getrieben. Über 2 Milliarden Franken sind seit 2021 für Firmenkäufe aufgewendet worden. Etliche davon, etwa aus den Bereichen Medizinalreinigung oder Bürosoftware, haben nichts mit dem Leistungsauftrag zu tun.

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Nicht von ungefähr verlangt das Parlament seit Jahren, der Bundesrat solle die Post zurückbinden. Doch was macht Rösti, notabene ein SVP-Mitglied? Nichts. Dies zeigt der am Mittwoch publizierte Vierjahresplan der strategischen Ziele des Bundes für die Post. Er lobt sie sogar. Die Post habe die Herausforderungen gut gemeistert. Deshalb sehe der Bundesrat «keinen Grund, die Ausrichtung der strategischen Ziele zu ändern». Kein Wort darüber, dass die Post den Wettbewerb unter Privaten dank billigem Fremdkapital bedrängt und dass das Parlament Rösti damit beauftragt hat, die Post auf den postalischen Auftrag zurückzustutzen.

Rösti belässt es bei einer Mahnung. Der Verwaltungsrat soll künftig bei geplanten Firmenübernahmen «sorgfältig prüfen», ob die Post sich an ihren gesetzlichen Auftrag halte. So klingt es seit Jahren. Es ist dieselbe Leier wie unter Sommaruga. Das ist unverständlich und inakzeptabel, weil viel zu schwammig. 

Parlament soll durchregieren

Das Gute daran: Das Parlament muss jetzt keine Rücksicht mehr auf den Bundesrat nehmen, um einzugreifen. Will heissen: Es soll per parlamentarische Initiative die postalische Grundversorgung definieren und den Spielraum für Akquisitionen auf diese Aufgabe beschränken. Alle anderen Geschäftsbereiche kann der Gesetzgeber zur Privatisierung freigeben. Die Post soll für die Erbringung ihrer Kernleistung eine Abgeltung erhalten, so, wie es im öffentlichen Verkehr der Fall ist. Das ist der richtige Ausweg.

Zu privatisieren ist auch der Geschäftsbereich Digitalisierung. Und dies entgegen der Haltung des Bundesrates, derzufolge die Post «zur Digitalisierung der Schweiz beitragen soll». An privaten Akteuren mangelt es nicht. Die Post ist auch nicht in der Lage dazu: Die Flops beim elektronischen Patientendossier, bei der E-Signatur oder im E-Voting haben das gezeigt. Die Post verbrennt damit einfach Geld. 

Die Pièce de Résistance der Post ist die dichte Logistik und das Verteilnetz. Eine Mehrheit im Parlament – eine Allianz der politischen Pole – will keinen weiteren Abbau von Poststellen, keinen Abbau der Zustellfrequenz und auch keine Reduktion der Zustellqualität bis vor die Haustür. So soll die Post die Kosten beziffern und sich diese Dienste finanzieren lassen. Spätestens dann wird der Politik klar, ob die Allgemeinheit diese Kosten wirklich tragen soll.

Um diese Gretchenfrage konnten sich Post, Politik und Kundschaft bisher drücken, weil man dem gelben Riesen erlaubt hat, das Defizit mit Gewinnen aus der Privatwirtschaft zu subventionieren – nicht zuletzt und vor allem mit Einnahmen aus dem Bankgeschäft. Vernünftig wäre, wenn der Verwaltungsrat der Realität ins Auge schaut und die Strategie zurückstutzt. Erst dann soll ein Nachfolger für Roberto Cirillo gesucht werden – einer, der dieser Aufgabe gewachsen ist.