Bei den Flugzeugverleihern schwinden die Hoffnungen auf ein Wiedersehen mit ihren in Russland stehenden Jets. Denn bis Montag mussten Leasingfirmen wie Marktführer Aercap oder Avolon ihre Verträge mit russischen Fluggesellschaften beenden – wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland nach dem Einmarsch in die Ukraine.

Vor rund einem Monat wurden die Massnahmen angekündigt, doch die russischen Airlines haben die Maschinen nicht zurückgegeben. «Ich befürchte, dass wir Zeugen des grössten Flugzeugdiebstahls in der Geschichte der kommerziellen Zivilluftfahrt werden», sagt Wolodymyr Bilotkatsch, Professor für Luftverkehrsmanagement am Singapore Institute of Technology. Auch der Generaldirektor der EU-Kommission für Transport, Henrik Hololei, beklagt, die in Russland befindlichen Flieger seien «den rechtmässigen Besitzern gestohlen worden». Ein grosser Teil von mehr als 400 Flugzeugen im Wert von rund zehn Milliarden Dollar dürfte verloren sein.

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Russland schuf auf die Sanktion hin eilig eine Rechtsgrundlage, die eine zwangsläufige Ausserbetriebnahme der Maschinen verhindert. Um die notwendigen Sicherheitszertifikate aufrecht zu erhalten, wurden die Leasingflugzeuge in Russland einfach neu registriert.

Flugzeuge dürften nicht anheben

Eine doppelte Registrierung ist nach internationalen Regeln aber nicht zulässig – nach Worten Hololeis ein schwerer Verstoss gegen das Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt. Russland hat nach Regierungsangaben mehr als die Hälfte von 515 gemieteten Flugzeugen in das eigene Register eingetragen.

Die meisten der Flugzeuge sind auf russischen Inlandsrouten unterwegs, obwohl die für sie zuständigen Behörden auf den Bermudas und in Irland die Luftüchtigkeitszertifikate aussetzten und sie daher nicht abheben dürften.

Der internationale Flugverkehr der russischen Airlines ist weitgehend erlahmt. Denn sobald die geleasten Flieger ausserhalb Russlands landen, können sie beschlagnahmt werden. Die EU-Kommission verfolgt jede Maschine, die Russland verlässt und arbeitet mit Behörden der Ankunftsländer zusammen, um die Flugzeuge sicherzustellen. «Wir waren sehr erfolgreich, indem wir solche Flugzeuge wieder in Besitz nehmen konnten», sagt Hololei bei einem Webinar der EU-Luftfahrtbehörde Eurocontrol.

Nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax wurden vergangene Woche 78 Flieger im Ausland beschlagnahmt.

Wer soll das bezahlen?

Die Frage ist nun – wer bezahlt den Schaden? Obwohl die Flugzeuge versichert sind, werden die Leasingfirmen wegen der sehr hohen Versicherungssummen nach Einschätzung von Experten jahrelang vor Gericht über Erstattungen streiten. Versicherern und Rückversicherern von Flugzeugleasing-Firmen drohen nach Schätzungen der Ratingagentur Moody's wegen des Kriegs in der Ukraine bis zu elf Milliarden Dollar Schäden.

Selbst wenn die Flugzeuge nach einiger Zeit zurückkämen, wäre ihr Wert fraglich, da Flugzeuge genaue Wartungsaufzeichnungen über die originalen und rückverfolgbaren Ersatzteile aufweisen müssen. Komponenten und Wartungsdienste für die dominierenden Modelle von Airbus und Boeing stehen aber ebenfalls auf der Liste der EU-Sanktionen gegen Russland.

Die Folgen für die einzelnen Leasingfirmen sind überschaubar, da an russische Airlines weniger als zehn Prozent des Bestandes der meisten Firmen vermietet sind. «Das wird diese Unternehmen nicht lahmlegen», sagt Brad Dailey, ein Direktor bei Alton Aviation Consultancy, der zuvor beim irischen Leasingriesen AerCap Holdings gearbeitet hat. «Meines Erachtens verändert sich jedoch das künftige Marktpotenzial Russlands.»

Die nationale russische Fluggesellschaft Aeroflot wurde vor der Invasion als höchst kreditwürdig angesehen, wie Branchenkenner erklärten. Doch das gelte seit der rechtswidrigen Doppelregistrierung in Russland nicht mehr. Der Vertreter einer chinesischen Leasingfirma sagte, der Versicherungsfall bei Aeroflot-Fliegern werde jetzt geklärt.

Um künftig wieder ins Geschäft mit dem Westen kommen zu können, signalisierten einige private russische Fluggesellschaften, sie wollten Leasing-Jets zurückgeben. Das müsste allerdings von der russischen Regierung genehmigt werden.