Die Einrichtungen der Gülen-Bewegung in der Schweiz seien nicht akut gefährdet, glaubt ein Vertreter der Bewegung. Trotzdem sei die Hetze gegen Gülen-Anhänger spürbar. Drohungen nehme er sehr ernst.

«Ich fühle mich bedroht durch die radikalen Ableger der AKP, durch Erdogan-Anhänger, die sich in letzter Zeit stark radikalisiert haben», sagte Cebrail Terlemez im Interview mit «Tages-Anzeiger» und «Bund». In der Türkei werde von «Säuberung» und «Ausmerzung» gesprochen. Die Bewegung des im amerikanischen Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen werde als «Virus» bezeichnet.

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Politik in der Pflicht

Diese Wortwahl werde auch in der Schweiz benutzt, sagte der Historiker, der schweizerisch-türkischer Doppelbürger ist und im Beirat des Gülen-nahen Dialoginstituts in Zürich sitzt. Er hoffe sehr, dass die in Deutschland und Belgien angewandte Gewalt nicht auf die Schweiz überspringe.

Die Aussage des türkischen Botschafters in Bern, dass seine Regierung auch in der Schweiz gegen Oppositionelle vorgehen werde, bezeichnete Terlemez als bedenklich. Die Politiker und Behörden in der Schweiz seien jetzt gefordert, angemessen zu reagieren.

Fehlender Rückhalt in der Schweiz

Der Historiker glaubt, dass die Bewegung von Gülen in der Türkei nicht überleben wird. Hingegen sieht er die Bewegung hierzulande langfristig nicht gefährdet: «Wir haben in der Schweiz einen verfassungsmässigen Rechtsstaat und eine gesunde Demokratie».

Die AKP, Partei des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, habe in der Schweiz zudem nicht den gleichen Rückhalt wie in Deutschland oder Österreich. «Geht man von den Wahlen vom 1. November 2015 aus, hat die AKP lediglich eine Wählerschaft von 30 Prozent bei den hier lebenden Türken.» Die prokurdische HDP und die laizistische Partei CHL hätten demgegenüber über 60 Prozent.

Rund tausend Anhänger

In der Schweiz sei die Gemeinschaft der Gülen-Anhänger klein, vielleicht tausend Personen, sagte Terlemez. Die meisten seien Schweizer mit türkischem Hintergrund. Die Bewegung betreibe in der Schweiz verschiedene Vereine und Stiftungen, «die Schulen unterhalten und den interkulturellen und interreligiösen Dialog fördern».

Die Bewegung kenne auch in der Schweiz keine sektiererischen Lehren oder Rituale und habe eine offene Struktur. «Die Kernbotschaft ist: Baut Schulen, nicht Moscheen.» Die Bewegung des Predigers Gülen hat neben Schulen und Bildungseinrichtungen auch eigene Wirtschafts- und Medienunternehmen. Erdogan wirft seinem einstigen Verbündeten vor, Parallelstrukturen im Staat errichten und ihn stürzen zu wollen. Bereits in den 90er-Jahren, vor dem Zerwürfnis mit Erdogan, wurde Gülen wegen staatsgefährdender Umtriebe angeklagt und wanderte daraufhin in die USA aus.

(sda/ise/me)