Man reibt sich die Augen: Eine in die Schweiz geflüchtete Ukrainerin hat das Recht, jederzeit den Bus nach Kiew zu nehmen und dort zwei Monate zu verbringen. Und dennoch ihren Flüchtlingsstatus in der Schweiz zu behalten. Sie erhält Sozialhilfe und kann Sprachkurse belegen. Sie erhält eine Menge Unterstützung, ohne sich integrieren zu müssen. Diese merkwürdige Regelung ist eine Frucht des Asylgesetzes und des sogenannten Schutzstatus S, der für Ukraine-Flüchtlinge gilt. Nicht überraschend, dass bloss 23 Prozent der erwerbsfähigen Geflüchteten erwerbstätig sind.

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Die relative Unverbindlichkeit des Schutzstatus S, hier bleiben zu müssen, hat eine unerwartete Folge. Es herrscht ein hoher Umschlag an Flüchtlingen: Über 100’000 haben ein Gesuch gestellt. 90’000 wurden bewilligt, aber nur 65’000 Ukraine-Flüchtlinge sind derzeit offiziell im Land gemeldet. 25’000 sind wieder abgereist. Welche Motivation haben Unternehmen, Ukraine-Flüchtlinge anzustellen, wenn sie damit rechnen müssen, dass diese die Schweiz plötzlich verlassen? Das Einarbeiten braucht Zeit, umso mehr, wenn man die hiesige Sprache noch nicht richtig beherrscht. Je qualifizierter die Arbeit, desto aufwendiger ist das für Firmen. Man kann ihnen nicht zum Vorwurf machen, dass sie unter diesen Umständen vor einer Anstellung zurückschrecken.

Eine der tiefsten Erwerbsquoten Europas 

Und schliesslich fehlt der Druck der Behörden. In anderen Ländern wie Holland oder Dänemark wird den Flüchtlingen von Anfang an klargemacht, dass sie einen Job finden müssen – auch mit Kriegstrauma und unter ihrem beruflichen Level. So lernen sie die Sprache «on the job», der sie ernährt, ihnen Selbstbewusstsein verleiht und sie vom Staatstropf wegkommen lässt. In der Schweiz sagt der Bund erst heute – zwei Jahre nach der Flüchtlingswelle – klipp und klar, dass jeder Flüchtling einen Job finden müsse. Kein Wunder, sind im europäischen Vergleich hierzulande am wenigsten Ukraine-Flüchtlinge erwerbstätig.

Bundesrat und Parlament müssen die Hausaufgaben machen. Das gilt umso mehr, als dass 68’000 Geflüchtete die reguläre Arbeitsmigration konkurrenzieren. Netto sind zuletzt 100’000 aus EU-Ländern für Arbeit eingereist. Sie beanspruchen ebenso die Infrastruktur, Spitäler und Schulen. Eine Kumulierung der Flüchtlings- und Arbeitsmigration ist Gift für ein gutes Zusammenleben, wenn gleichzeitig die Infrastruktur knapp ist.

Das Dogma «rückkehrorientiert» schafft grossen Widerspruch

Der Status S gehört reformiert. Die Definition «rückkehrorientiert» hat nach zwei Jahren Krieg ausgedient. Sie steht im Widerspruch zum Willen der Behörden, die Flüchtlinge beruflich zu integrieren. Entweder ist man hier und sucht Schutz vor dem Krieg oder man reist zurück ins Vaterland, weil man es als sicher genug erachtet und lebt dort weiter. Aber nicht das heutige Hin und Her. Asylsuchende und vorläufig Aufgenommene haben diesen Luxus nicht. Jeder Ukraine-Flüchtling muss entscheiden, wo sie oder er hingehört. Viele Junge – so hört man – hätten sich bereits entschieden: Sie blieben hier, lernen die Sprache, finden einen Job und werden zu Recht vom Bund gefördert.