Der Wasserkraft kommt eine wichtige Rolle in der Energiezukunft der Schweiz zu. Allerdings befindet sie sich im Zwiespalt zwischen Wirtschaftlichkeit und Ansprüchen des Natur- und Landschaftsschutzes. Forschende zeigen einen möglichen Umgang mit diesem Spannungsfeld auf.

Die Wasserkraft ist aktuell die wichtigste Quelle für erneuerbare Energie in der Schweiz. Und das mit Abstand, attestieren Beteiligte des Nationalen Forschungsprogramms «Energie» (NFP 70 und 71) im Bericht «Wasserkraft und Markt». Allerdings befindet sich die Wasserkraft in einem Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit einerseits und Natur- und Landschaftsschutz andererseits.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Forschenden des NFP Energie untersuchten in einem Dutzend Projekte die für die Wasserkraft relevanten technischen, sozio-ökonomischen, ökologischen und klimabedingten Entwicklungen. Nun stellen sie in ihrem Synthesebericht Empfehlungen für den Umgang mit diesem Zwiespalt vor, wie das Forschungsprogramm am Montag mitteilte.

Die Wissenschaftler sehen bei den Herausforderungen für die künftige Entwicklung der Wasserkraft drei Schwerpunkte: technische Herausforderungen bei Erhalt und Ausbau der Wasserkraft, wirtschaftliche Herausforderungen rund um Kosten, Preise und Wasserzins, sowie ökologische Herausforderungen in Bezug auf Erhalt von Ökosystemen und Artenvielfalt.

Stauseen in Gletscherbecken

Durch den Klimawandel schmelzen die Gletscher und damit wichtige Wasserspeicher. Auf der anderen Seite ergibt sich daraus neues Potenzial für die Wasserkraft: Wo sich im Zuge steigender Temperaturen Gletscher zurückziehen, könnten künftig Stauseen entstehen und die Schweizer Stromproduktion um 3 Prozent erhöhen. Das ergab eine Untersuchung der ETH Zürich.

Die ETH-Forschenden identifizierten sieben Standorte, die sich am besten für neue Stauseen eignen würden. Ihre theoretische Speicherkapazität liegt demnach bei 1,3 Terawattstunden, was 14 Prozent der Speicherkapazität heutiger Stauseen entspricht.

Allerdings sind die freigeschmolzenen Gletscherbecken auch Orte unberührter Natur, an deren Erhalt der Landschaftsschutz Interesse hat. Hier gelte es Kompromisse zu finden, halten die Beteiligten des NFP Energie fest.

Ein weiteres Beispiel für ein ökologisches Thema, das die Wasserkraft betrifft, ist der Schutz der Artenvielfalt. Hier sehen die Forschenden eine zu lasche Regelung der Abflussmengen in Flüssen unterhalb von Stauanlagen. Das Gewässerschutzgesetz von 1992 lasse den Kantonen einen gewissen Ermessensspielraum bei der Bewertung wirtschaftlicher Interessen und der Anwendung von Ausnahmeregelungen. Um die Biodiversität wiederherzustellen und zu erhalten, müssten sich die Betreiber von Stauanlagen jedoch konsequent an eine natürliche Abflussdynamik halten.

Tiefe Strompreise, hohe Abgaben

Bei allen ökologischen Ansprüchen sehen die Forschenden jedoch auch in der Wirtschaftlichkeit der Wasserkraft ein zentrales Thema. Die Erzeuger litten in den letzten Jahren unter schwindenden Erträgen bis hin zu hohen Verlusten. Besonders hart traf es Betreiber kleinerer und mittlerer Kraftwerke, weil diese nicht die Flexibilität mitbringen, den Verkauf ihres Stroms auf Hochpreisperioden zu verschieben. Durch fehlende Einnahmen fehlen auch finanzielle Mittel für die Erneuerung bestehender Stauanlagen.

Zwei Herausforderungen sehen die Wissenschaftler als zentral für die Wasserkraft der Schweiz. Zum einen den europäischen Strommarkt, der die künftige Rentabilität der Wasserkraft und damit auch die Möglichkeiten der Investitionen bestimmt. Zum anderen die steigende Bedeutung politischer, sozialer und rechtlicher Aspekte.

Handlungsbedarf bestehe insbesondere beim Wasserzins - der Vergütung, die Stromproduzenten als Abgeltung für die Nutzung des Wassers zur Stromproduktion an Kantone und Gemeinden zahlen. Eine kürzlich erschienene Studie des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen zeigte, dass Schweizer Stromfirmen im Vergleich zum Ausland wegen des Wasserzinses überhöhte Abgaben zahlen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil haben. Die Bergkantone widersprachen dem jedoch und hielten die Datenauswertung für unvollständig.

Flexibel statt starr

Neu schlagen die Forschenden des NFP Energie einen flexiblen anstelle eines fixen Betrags für den Wasserzins vor: Der Wasserzins sollte sich am tatsächlich produzierten Strom orientieren. Dafür sei allerdings völlige Transparenz über die Ertragszahlen nötig. Für die Umgestaltung des Wasserzinses brauche es einen politischen Prozess.

Bei allen Veränderungen, sei es beim Wasserzins oder beim Bau oder der Erneuerung von Stauanlagen, sollte der Planungsprozess alle Anspruchsgruppen und ihre Interessen einbeziehen, betonen die Forschenden.

(sda/tdr)