Russland hat sich unbeeindruckt vom Stopp des Genehmigungsverfahrens für die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 sowie von der Androhung neuer Sanktionen des Westens gezeigt. «Moskau hat vor nichts Angst», sagte Vize-Aussenminister Andrej Rudenko am Dienstag in Moskau der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. Auf die Frage eines Journalisten, ob die zugespitzte Lage möglicherweise geplant gewesen sein könnte, um die Inbetriebnahme der Gasleitung durch die Ostsee von Russland nach Deutschland zu verhindern, sagte er: «Es ist schwer zu sagen, ob es einen Zusammenhang gibt oder nicht. Ich will nicht spekulieren.» Die USA und die Ukraine wollten die Pipeline verhindern.

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Medwedew warnt vor Anstieg des Gaspreises

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat die Europäer indessen vor einem Anstieg der Gaspreise gewarnt. «Der deutscher Kanzler Olaf Scholz hat gefordert, die Zertifizierung von Nord Stream 2 auszusetzen», erklärte der heutige stellvertretende Vorsitzende des russischen Nationalen Sicherheitsrates am Dienstag auf Twitter. «Na dann, willkommen in einer neuen Welt, in der die Europäer bald 2000 Euro für 1000 Kubikmeter Gas bezahlen werden.»

Medwedew machte keine genaueren Angaben dazu, ob er sich auf einen potenziellen Gaspreis beim Import oder für den Endverbraucher bezog. In jedem Fall läge ein Wert von zwei Euro pro Kubikmeter aber deutlich über aktuellen Preisen.

Kuleba. «Richtiger Schritt»

Dagegen begrüsste die Ukraine die Aussetzung. «Dies ist unter den gegenwärtigen Umständen ein moralisch, politisch und praktisch richtiger Schritt» schrieb Aussenminister Dmytro Kuleba bei Twitter. «Wahre Führung bedeutet harte Entscheidungen in schwierigen Zeiten. Der Schritt Deutschlands beweist genau das.»

Als Reaktion auf das russische Vorgehen in der Ukraine hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Inbetriebnahme der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 auf Eis gelegt. Er habe das Bundeswirtschaftsministerium angewiesen, eine Neubewertung der Versorgungssicherheit vorzunehmen, die Grundlage für eine Zertifizierung und Betrieberlaubnis für das milliardenschwere Projekt ist. «Das wird sich sicher hinziehen», sagte Scholz am Dienstag. Der Bericht zur Versorgungssicherheit müsse im Lichte der neuen Entwicklungen abgefasst werden. Nord Stream 2 soll Erdgas aus Russland direkt nach Deutschland transportieren.

Der SPD-Politiker hatte in den vergangenen Wochen eingeräumt, dass auch NordStream 2 auf dem Tisch von Sanktionsmassnahmen im Falle einer russischen Aggression gegen die Ukraine liegt. Der grüne Koalitionspartner lehnt die Pipeline ebenso ab wie viele osteuropäische Staaten und die USA. Scholz hatte sich aber bisher dagegen gewandt, die Sanktionsdebatte vor allem an Nord Stream 2 aufzuhängen. Durch die zumindest erhebliche zeitliche Verzögerung für die Inbetriebnahme der fertiggestellten Pipeline entgehen dem russischen Energiekonzern Gazprom Einnahmen aus zusätzlichen Gasverkäufen nach Westeuropa.

Mit den USA handeln

Scholz verteidigte, dass die USA und die Europäer nach der Anerkennung der Separatistengebiete durch Russland noch nicht das volle Sanktionspaket auf den Tisch gelegt hätten. «Das ist der richtige Wege», sagte er zu dem beschlossenen abgestuften Verfahren. Man müsse schnell, entschieden und im Einklang mit den USA handeln. Putin werde damit auch aufgezeigt, dass es im Westen die nötige Geschlossenheit und Entschlossenheit gebe. Scholz zeigte sich zuversichtlich, dass am Dienstag die 27 EU-Staaten einvernehmlich ein Sanktionspaket verabschieden.

Er hatte noch am Montagabend mit US-Präsident Joe Biden und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron über das weitere Vorgehen beraten. Macron und er wollten am sogenannten Normandie-Format festhalten, in dem Deutschland, Frankreich, die Ukraine und Russland über eine Friedenslösung für die Ostukraine verhandeln. 

(reuters/tdr/AFP/pe/ju)