Der Bundesrat öffnet den Strommarkt für Kleinkunden. Die Ankündigung tönt erfreulich. Endlich sollen auch Private und KMU ihre Stromlieferanten frei wählen können. Sei es, um Kosten zu sparen. Sei es, weil ihnen der Strommix des heutigen Monopolisten unsympathisch ist. Sei es, weil sie mit der Beratung nicht zufrieden sind. Was bei Lebensmitteln, Telekom und Kleidern normal ist, soll auch beim Strom Einzug halten. Endlich!
Doch Vorsicht. Noch ist die Ankündigung vage. Ein Datum hat SP-Energieministerin Simonetta Sommaruga nicht genannt. Und damit ist das neue Versprechen nicht viel mehr als die Erneuerung aller anderen Versprechen, die vom Bundesrat in den letzten Jahren gemacht wurden.
Das Aufschieben der Reformen hat Kleinkunden Milliarden gekostet
Ursprünglich hätte der Strommarkt schon von Anfang an für alle Kunden geöffnet werden sollen. Wie in der EU, etwa aufs Jahr 2008 hin. Doch die Vorlage scheiterte. Dann hiess es, der Zugang für Kleinkunden werde nach einer Übergangsfrist geöffnet, um den Markt erst an den Grosskunden zu testen. Das hätte bis 2014 der Fall sein sollen. Der Grosskundentest läuft seither. Doch auch diese Frist für die Marktöffnung verstrich, wie wir wissen.
Die Folgen waren teuer, wie die «Handelszeitung» bereits vor einem Jahr nachgerechnet hat. Verglichen mit einer Beschaffung am Markt bezahlten die Kleinkunden in all den zusätzlichen Monopoljahren mehr als 4 Milliarden Franken zu viel.
Sie verpassten die guten Jahre, in denen die Marktpreise unter den Produktionskosten für Strom lagen. Dieser Preisdruck war denn auch der Grund dafür, dass die Reformen bis heute rausgeschoben wurden.
Keiner wollte der von Kantonen und Gemeinden beherrschten Stromwirtschaft die Kosten aufbürden. Doch die Reform ist bitter nötig, und das aus unterschiedlichen Gründen. Sicher einmal wegen der Preise. Noch immer gibt es Anbieter mit überhöhten Tarifen – obwohl Strom ein perfekt handelbares Gut ist. Es gibt hierzulande schlicht zu viele, zu kleine Stromversorger. Eine Konsolidierung tut not.
Liberalisierung ist notwendig für die Teilnahme am Strommarkt der EU
Das oft gehörte Argument, Strom sei ein einheitliches Gut und ein Markt somit sinnlos, mag zwar rein physikalisch stimmen, widerspricht aber einer ökonomischen Logik, die den Konsumenten in die Verantwortung nimmt. So wie Geld heute eben doch stinkt und Banken dessen Herkunft hinterfragen müssen, so sollte sich auch der Konsument überlegen, in welchen Kraftwerken sein Strom produziert wird.
Nicht zuletzt ist die Marktöffnung auch eine handelspolitische Notwendigkeit. Sie ist das Eintrittsbillett zurück in den europäischen Strommarkt. Dieser hat sich zuletzt von der Schweiz abgenabelt, und das ist schlecht.
Strom funktioniert nur im Verbund. Zu glauben, man könne sich autark versorgen, ist illusorisch und gefährlich. Das Spielen auf Zeit – und nicht die Liberalisierung an sich – gefährdet die Versorgungssicherheit in der Schweiz. Und das ist wichtiger als die Frage, ob Kleinkunden beim Strom ein paar Franken mehr oder weniger bezahlen.