Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer erklärt die Zurückhaltung bei dem Thema so: Der Westen habe am Donnerstagabend nicht beschlossen, die russischen Banken vom Swift-System abzuschalten - «vermutlich weil die Europäer Wege brauchen, um weiter russische Gasimporte zu bezahlen».

Swift ("Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication") ist kein Zahlungsverkehrssystem, sondern ein internationales Netzwerk zum Austausch elektronischer Informationen. Jeder an das System angeschlossene Teilnehmer hat eine eigene Swift-Adresse, den Bank Identifier Code, kurz BIC. Anhand dieser internationalen Bankleitzahl sind Kreditinstitute eindeutig identifizierbar.

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Das Swift-System stellt auf diesem Wege zum Beispiel sicher, dass Auslandsüberweisungen auf dem richtigen Konto eingehen. Mehr als 11 000 Teilnehmer in über 200 Ländern nutzen den Dienst, vor allem Banken, aber auch Wertpapierfirmen und grosse Konzerne. Täglich werden über das Swift-System Millionen von Nachrichten verarbeitet und milliardenschwere Geldsummen rund um den Globus geschickt.

Abkopplung würde Russland isolieren

Können Banken Swift nicht mehr nutzen, kann dies weitreichende Folgen für ihre Geschäfte haben. Denn die Institute sind dann quasi von internationalen Geldströmen ausgeschlossen. Geld aus dem Ausland in ein Land zu transferieren wird dann schwieriger, umgekehrt genauso. Das kann Warenströme bremsen, weil Firmen dann nicht mehr in der Lage sind, Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen.

«Ein Abkoppeln vom Swift-System würde Russland praktisch vollständig von weiten Teilen der Weltwirtschaft isolieren», ordnet Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft IfW in Kiel, ein. «Das wäre wirtschaftlich das schärfste Schwert.»

Bankenvertreter weisen darauf hin, dass wegen der von den USA und der Europäischen Union verhängten Sanktionen gegen Russland bereits gezielt Geschäfte unterbunden werden. Käme ein Swift-Ausschluss hinzu, wäre jeglicher Nachrichtenaustausch mit Banken in Russland pauschal blockiert - ganz egal, ob es um humanitäre Fragen geht, um Miet- oder Gehaltszahlungen oder die Rohstofflieferung ins Ausland.

Im Iran bereits angewendet

Die «Süddeutsche Zeitung" (Freitag) zitierte den Finanzökonom Moritz Schularick mit der Forderung: «Der Westen sollte Russland von Swift und dem internationalen Finanzsystem ausschliessen.» Man habe im Fall Irans gesehen, wie effektiv das sei. Das Land könne sein Öl nicht mehr verkaufen.

Im Streit um das iranische Atomprogramm hatte die Europäische Union im März 2012 den Finanzdienstleister Swift angewiesen, keine Überweisungen an iranische Banken mehr vorzunehmen - ein bis dato einmaliger Vorgang. Im Januar 2016 wurden diese Iran-Sanktionen aufgehoben, europäische Banken hielten sich bei der Zusammenarbeit mit dem Land aber zunächst zurück. Im November 2018 sperrte Swift wegen neuer US-Sanktionen gegen Iran erneut bestimmten iranischen Banken den Zugang zu dem Datenaustausch-System.

Ohne Swift-Zugang ziehen sich grenzüberschreitende Abrechnungen länger hin und verteuern sich, denn das Überprüfen und Abgleichen von Transaktionen wird aufwendiger. Um Nachrichten zu Zahlungen auszutauschen, müssen Bankmitarbeiter dann möglicherweise zum Telefon greifen, Faxe verschicken oder per Video miteinander kommunizieren. Swift-Nachrichten dagegen werden automatisiert weiterverarbeitet.

Russland setzt auf Alternativsystem und Krypto

Schon nach Russlands Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 waren Forderungen laut geworden, Russland von Swift auszuschliessen. Seither bereitet sich die Führung des Landes deshalb auf einen solchen möglichen Schritt vor und hat etwa das russische Äquivalent SPFS geschaffen, auf das Banken ausweichen können.

Experten halten es zudem für denkbar, dass Bitcoin und Co. als Zahlungsinfrastruktur genutzt würden. «Falls Swift abgeschaltet wird, würde nach anderen Wegen geschaut, um Transaktionen auszuführen, etwa mittels Kryptowährungen», sagte Bernd Richter vom US-amerikanischen IT- und Zahlungsdienstleister FIS der «Börsen-Zeitung». In so einem Fall könnte zumindest ein Teil der Transfers Richtung Russland in einen eher unregulierten Teil des Marktes abwandern.

(reuters/tdr)