In den USA stehen nächste Woche die Präsidentschaftswahlen nach all den Monaten mit unzähligen Debatten darüber nun endlich an. Wahlberechtigt sind natürlich nur Amerikanerinnen und Amerikaner. Aber angesichts der Bedeutung der Wahlen für die ganze Welt interessiert es überall, wie sich die Leute positionieren und warum. 

Beim europäischen Mainstream würde Trump in den Wahlen wohl durchfallen und Kamala Harris die Präsidentschaft erringen. Mit Mehrheitsmeinungen mitzugehen, schmeckt mir nicht, aber angesichts von Trump ist Harris tatsächlich die bessere Wahl.

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Nicht weil Harris mit einem eigenen Programm überzeugen würde, sondern allein deshalb, weil sie die einzige Alternative zu Trump ist. Nicht Trump zu sein und ihn zu verhindern, scheint denn auch ihr wichtigstes Wahlkampfargument zu sein. Dass die USA keine bessere Alternative zu Trump hervorgebracht hat, ist kein Ruhmesblatt für die Weltmacht.

Zuweilen ist die Meinung zu hören, dass Trump in seiner letzten Präsidentschaft mehr ein Segen als ein Fluch gewesen sei – trotz seines erratischen Verhaltens. Er hat die Steuern für Unternehmen gesenkt, vor Corona lief es in der Wirtschaft rund, und unter ihm waren die USA in keine grösseren Kriege involviert. Seinen Protektionismus sehen ihm daher viele nach, umso mehr, als sein Nachfolger Joe Biden die Zollpolitik gegenüber China fortgesetzt hat. Und selbst die Europäer haben dieser Tage massive Zollzuschläge auf E-Autos aus China eingeführt.

Zu krass, um ernst genommen zu werden

Und gegen Gefahren einer zweiten Trump-Präsidentschaft für die demokratischen Institutionen wird ins Feld geführt, diese seien dagegen ausreichend gewappnet. Die Grossmacht sei schliesslich auch nach seiner ersten Präsidentschaft nicht in eine Diktatur abgedriftet.

Der Umgang mit den Risiken einer zweiten Trump-Präsidentschaft erinnert mich an den Umgang damit, was in der Psychologie als «kognitive Dissonanz» bezeichnet wird: Gefahren, die man nicht wahrhaben will, rationalisiert man weg. Nur leider bleiben sie dennoch bestehen. Natürlich weiss niemand, was Trump tatsächlich tun wird und tun kann, wenn er die Wahlen gewinnt.

Doch seine offen geäusserten Absichten reichen aus, um Schauerschübe auszulösen: So hat er offen erklärt, an seinen politischen Konkurrenten in der demokratischen Partei im Falle seines Wahlsiegs Rache zu nehmen. Die Demokraten sind für ihn «der Feind von innen», schlimmer als die Russen und die Chinesen. Wirtschaftlich gesehen sind seine Pläne, die ganze Welt mit hohen Zöllen zu überziehen, eine Katastrophe – auch für die eigene Bevölkerung.

Mit seinen Ausgabenplänen und der dadurch weiter explodierenden Verschuldung würde er die Stabilität nicht nur des amerikanischen, sondern des internationalen Finanzsystems aufs Spiel setzen. Seine Aussagen zur Aussenpolitik machen deutlich, dass bei seinem Wahlsieg autoritäre Regimes weltweit Grund zum Jubeln haben würden. Niemand, der sich liberalen und demokratischen Prinzipien verbunden fühlt, kann sich einen Wahlsieg von Donald Trump wünschen.