Rund 14 Monate nach dem Putschversuch in der Türkei droht die türkische Regierung fast 100 weiteren Verdächtigen im Ausland mit der Ausbürgerung. Im Amtsanzeiger wurde am Sonntag eine Liste des Innenministeriums mit Namen und anderen persönlichen Daten von 99 Türken veröffentlicht.
Ihnen kann die Staatsbürgerschaft aberkannt werden, wenn sie nicht innert drei Monaten in die Türkei zurückkehren und sich den Behörden stellen. Die Betroffenen werden unter anderem verdächtigt, Mitglieder von Terrororganisationen zu sein oder die verfassungsmässige Ordnung stürzen zu wollen.
Zweite Welle
Die Regierung hatte im Januar ein Notstandsdekret erlassen, das den Entzug der Staatsbürgerschaft bei schweren Straftaten mit einer Warnfrist von drei Monaten erlaubt, wenn sich Verdächtige im Ausland aufhalten.
Straftaten, auf die sich das Dekret erstreckt, sind etwa Umsturzversuche oder das Aufwiegeln des Volkes zum bewaffneten Aufstand. Die aktuelle Liste ist bereits die zweite: Im Juni hatte das Innenministerium bereits eine Liste mit 130 Namen veröffentlicht.
Erste Frist verstrichen
Auf der Liste im Juni stand auch der in den USA lebende Prediger Fethullah Gülen, den die Regierung für den Putschversuch vom Juli 2016 verantwortlich macht.
Die Frist für diese 130 Betroffenen war Anfang des Monats abgelaufen. Ob oder wieviele zurückgekehrt sind, ist nicht bekannt. Das Kabinett muss nun entscheiden, ob denjenigen, die nicht zurückgekehrt sind, die Staatsbürgerschaft entzogen wird.
Verfassung pocht auf Loyalität
Angesichts der Massenfestnahmen von Gülen-Anhängern und anderen Regierungskritikern nach dem Putschversuch flohen zahlreiche Türken ins Ausland, darunter auch solche, nach denen die Behörden fahnden.
Westliche Staaten haben türkischen Forderungen nach einer Auslieferung der Betroffenen bislang nicht stattgegeben. Die türkische Verfassung erlaubt den Entzug der Staatsbürgerschaft, wenn der Betroffene «eine Tat begeht, die nicht vereinbar mit der Loyalität zum Vaterland ist».
(sda/jfr)