Die deutsche Bundesregierung verstaatlicht das angeschlagene Gasunternehmen Securing Energy for Europe (Sefe), eine frühere Tochtergesellschaft des russischen Staatskonzerns Gazprom. Das Wirtschaftsministerium begründete entsprechende Kapitalmassnahmen in einer Mitteilung vom Montag mit einer drohenden Insolvenz der Sefe, die die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährden würde.
«Um diese Gefahr abzuwenden und die operative Geschäftstätigkeit der Sefe aufrecht zu erhalten, wird nun der Eigentümerwechsel vollzogen und das Unternehmen stabilisiert», hiess es. Die entsprechende Anordnung sei am Montag im Bundesanzeiger veröffentlicht worden. Gesetzliche Grundlage der Massnahme sei Paragraf 17a des Energiesicherungsgesetzes.
Schlüsselunternehmen für Energieversorgung
Die frühere Gazprom Germania GmbH sei ein Schlüsselunternehmen für die Energieversorgung in Deutschland, betonte das Ministerium. Sie steht seit April unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur. Vorangegangen war laut Ministerium ein «undurchsichtiger Verkauf» des Unternehmens an eine andere russische Gesellschaft und deren Versuch, die Firma zu liquidieren. «Die Eigentümerverhältnisse sind aber nach wie vor unklar», so das deutsche Wirtschaftsministerium weiter.
Die Sefe ist seit dem Frühjahr durch das Agieren Russlands, insbesondere durch russische Sanktionen gegen die Firma und nahezu alle Töchter, in eine schwere finanzielle Schieflage geraten. Erschwerend komme hinzu, dass Geschäftspartner und Banken aufgrund der unklaren Eigentümerverhältnisse ihre Geschäftsbeziehungen mit der Sefe beenden oder keine neuen aufnehmen wollen.
Mit dem am Montag angeordneten Kapitalschnitt verliere der bisherige Gesellschafter des Unternehmens seine Gesellschafterstellung. Der Kapitalschnitt sei mit einer Entschädigung verbunden, die sich am Marktwert der Sefe-Anteile bemesse. «Das Entschädigungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen», teilte das Ministerium mit.
EU genehmigt Kapitalerhöhung
Gleichzeitig führe der Bund eine Kapitalerhöhung durch. Dafür sei eine Holding-Gesellschaft gegründet worden, die im alleinigen Eigentum des Bundes stehe. Sie bringt schrittweise frisches Stammkapital ein, insgesamt 225,6 Millionen Euro. «Damit ist der Eigentümerwechsel vollzogen.» Die Bereitstellung des neuen Stammkapitals hatte die EU-Kommission bereits am Samstag beihilferechtlich genehmigt.
Mit einem KfW-Darlehen in Höhe von insgesamt 11,8 Milliarden Euro hatte der Bund bereits im Frühjahr das Unternehmen stabilisiert. Das KfW-Darlehen werde jetzt auf 13,8 Milliarden Euro erhöht, um den Wegfall der ursprünglich geplanten Gasumlage zu kompensieren, kündigte das Ministerium an.
Die Finanzierung der Massnahmen erfolgt laut Ministerium aus dem rund 200 Milliarden Euro umfassenden «Abwehrschirm» des Wirtschaftsstabilisierungsfonds.
Auch Polen reagiert
Am Montag hat auch Polen Massnahmen rund um eine Gazprom-Tochter unternommen. Die Regierung hat das Unternehmen, das Anteile an dem Betreiber der Jamal-Pipeline hält, unter Zwangsverwaltung gestellt.
Dies sei notwendig, um eine Lähmung im Entscheidungsprozess bei diesem Unternehmen zu verhindern und die Sicherheit der kritischen Infrastruktur für den Gastransport zu gewährleisten, sagte Entwicklungsminister Waldemar Buda am Montag in Warschau. Eine Enteignung sei laut Verfassung nicht möglich, weshalb man sich für eine Zwangsverwaltung entschieden habe.
Das Unternehmen Europol Gaz ist der Betreiber des 684 Kilometer langen polnischen Teils der Jamal-Gasleitung, durch die Erdgas von der Jamal-Halbinsel in Sibirien durch Russland, Belarus und Polen bis nach Deutschland gelangen kann. Derzeit fliesst aber kein Gas mehr durch die Pipeline nach Deutschland.
Der Leitungsbetreiber Europol Gaz gehörte jeweils zu 48 Prozent einer Gazprom-Tochter und dem polnischen Energiekonzern PGNiG, weitere vier Prozent hält das Unternehmen Gas-Trading.
Als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte das polnische Innenministerium bereits im April Gazprom mit Sanktionen belegt und die Rechte des Anteilseigners eingefroren.
(awp/mth)