Die Chefs der Stadtwerke sind kleine Lokalfürsten», sagt ein Kenner des Solothurner Politbetriebs, der nicht namentlich zitiert werden will. «Sie herrschen über Zuwendungen an Vereine und Clubs und haben so Einfluss auf die öffentliche Meinung.» Doch dieser Tage werden sie unter die Lupe genommen. Der Grund? Sie lobbyieren gegen die Abschaffung einer Bestimmung, die sie vom Steuernzahlen befreit.
Die Rede ist von regionalen Energiewerken. Sie installieren Heizungen, errichten Solarpanele und bauen Kanäle fürs Internet. Daraus erzielen sie Gewinne. Aber als Teil der Verwaltung oder als öffentlich- rechtliche AG versteuern sie diese Erlöse nicht.
«Diese Steuerbefreiung ist ungerecht und unfair gegenüber der Privatwirtschaft», kritisiert SVP-Nationalrat Walter Wobmann. Ein staatlicher Anbieter kann knapper kalkulieren oder eine höhere Marge erzielen. Diese Mittel reinvestiert er. «Dies führt schlussendlich zur Marktkonzentration und zum Staatsmonopol in einem Bereich, wo es eigentlich kein Monopol geben sollte», sagt Remy Wyssmann, Solothurner SVP-Kantonsrat.
Die «Handelszeitung» hat die Fälle überprüft: Die vier Energieanbieter Regio Energie Solothurn, Stadtwerke Grenchen, Städtische Betriebe Olten und die Schaffhauser SH Power bestätigen unisono, sie seien am Privatmarkt tätig und steuerbefreit.
Während die Solothurner die Gewinne gesondert ausweisen, kann SH Power nicht beziffern, wie hoch die Gewinne dieser Geschäfte sind. Steuerrechtlich wäre dies allerdings ihre Pflicht.
Ihr Mitbewerber, das Elektrizitätswerk EKS, wiederum wurde dabei erwischt, die im Monopol erworbenen Kundendaten zu Werbezwecken zu missbrauchen, etwa um Solaranlagen zu bewerben. Damit handelte es sich eine Strafklage ein. Experten sagen, dass Energiewerke anfällig sind für unlautere Deals.
Wettbewerbsneutralität als Pflicht
Es gibt weitere problematische Branchen. Es betrifft öffentliche Spitäler und Amtsnotare. Erstere stehen im Wettbewerb um medizinische Leistungen für Privatversicherte. Amtsnotare wiederum verrichten Geschäfte, die Anwälten oder privaten Notaren zustehen würden, darunter Ehe- und Erbverträge, Testamente und Vorverträge von Kaufverträgen. «Wir übernehmen solche Arbeiten nur, wenn die Kundschaft das wünscht», rechtfertigt der Solothurner Amtsnotar Hanspeter Kolly sein Zusatzgeschäft und weist diesen Ertrag nicht separat aus, obwohl dies verlangt wäre.
Im Leitfaden der Schweizerischen Steuerkonferenz der Kantone (SSK) von 2008 steht es klipp und klar: «Allfällige Gewinne privatwirtschaftlichen Teils müssen dargestellt und rückerstattet werden. Quersubventionen sind verboten. Dividenden sind zu limitieren.»
Das Ganze leitet sich von der Verfassung ab. Sie verlangt, dass jeder nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Steuern entrichtet, auch staatliche Anbieter. Eine Ausnahme gilt nur für öffentliche Zwecke. Wer mehr Erlöse erzielt, zahlt mehr Steuern. Sind Verwaltungseinheiten im Wettbewerb tätig, ohne Steuern zu entrichten, wird dieser Grundsatz verletzt.
Daran ändert auch nichts, wenn Kantone oder Gemeinden diese Betriebe per Dekret von Steuern befreien. Theoretisch könnte ein Privater die steuerliche Ungleichbehandlung vor Bundesgericht einklagen. Der Leitfaden gibt auch Wobmann und Wyssmann recht: «Die Wettbewerbsneutralität muss in jedem Fall gewahrt sein.» Der Geschäftszweck des staatlichen Akteurs müsse sich «auf die Kernbereiche der Grundversorgung beschränken», so die SSK.
Im Fall von Regio Energie sitzt ein Prominenter an der Spitze: Kurt Fluri, FDP-Nationalrat und Stadtpräsident Solothurns. Als solcher wehrt er sich nicht für die Steuerbefreiung. Aber er glaubt an die wirtschaftliche Berechtigung: «Aus Kundensicht liegt es auf der Hand, dass ein Gaslieferant auch die Installation macht.» Man könnte das Geschäft verbieten. «Doch dann müsste die Stadt auf einen Teil der Konzessionseinnahmen verzichten», sagt Fluri. Und hier beginnt das Politikum: Wer kompensiert die Mindererlöse der Staatskasse?