Schon aussergewöhnlich, dass gleich drei bürgerliche Parteien eine Senkung oder Kompensation auf breiter Front für gestiegene Treibstoffpreise fordern. Heute Donnerstag werden gleich sechs Vorstösse im Nationalrat verhandelt. Alle Protagonisten tun dies unter dem Slogan Kaufkrafterhaltung des Mittelstands. Gefordert wird ein «Entlastungspaket über die Mineralölsteuer auf Treib- und Brennstoffen». Das klingt gut. Doch ist dies klug?

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Natürlich greifen derzeit Vielfahrer von fossil betriebenen PKW tiefer in die Tasche als früher. Wer einmal wöchentlich tankt, zahlt je nach Motorgrösse monatlich ungefähr 200 Franken mehr als im Januar. Das ist zwar überraschend viel. Wären die Schweizer veranlagt wie französische Gelbwesten, die 2019 auf die Strasse gingen, so wäre die Lage schon längst eskaliert. Doch die Lage bleibt ruhig, selbst in Frankreich. Und so stellt sich die Frage: Ist die Kaufkraft des Mittelstands wegen der Inflation massiv erodiert?

Bei einem Medianlohn von 6800 Franken machen die Treibstoffmehrkosten etwa 3 Prozent aus. Besteht ein Haushalt aus Doppelverdienern, was heute normal ist, so hält sich die Belastung in Grenzen. 200 Franken, so viel gibt ein vierköpfiger Haushalt an einem Abend im Restaurant mit Hauptspeise, Dessert und Wein aus.

Den Schweizer Haushalten steht es frei, das Geld per Autofahrten, Restaurants oder wie auch immer auszugeben – oder anderswo einzusparen. Nimmt man das bürgerliche Credo ernst, dass Bürgerinnen und Bürger im Vorzug selbstverantwortlich handeln wollen, dann sind solche Anträge schwer zu verstehen, gerade aus wirtschaftsliberaler Perspektive. Sie wirken wie billige Bewirtschaftung der Wählerbasis, als ob es um radikalisierte, französische Gilets jaunes, auf Deutsch Gelbwesten, ginge. Sie wurden vor drei Jahren berühmt, nachdem die Benzinpreise vom Staat um 10 bis 15 EU-Cents angehoben werden sollten. Der Schweizer Mittelstand aber sind keine Gelbwesten.

Es würde den bürgerlichen Protagonisten des Themas im Parlament – darunter Walter Wobmann (SVP), Benjamin Giezendanner (SVP), Christian Imark (SVP), Daniela Schneeberger (FDP) und Martin Landolt (Mitte) – nicht schaden, mit ihrer Jetzt-verarmt-der-Mittelstand-Rhetorik abzurüsten. Verarmen tut der Mittelstand – wenn schon – seit Jahren, weil Nettolöhne nicht gestiegen sind, während Mieten, Krankenkassen und Immobilienpreise im Durchschnitt massiv aufgeschlagen haben.

Doch dieses Feld aber haben die Bürgerlichen unterlassen zu bewirtschaften. So sind sie nicht gerade die glaubwürdigsten Politikerinnen und Politiker in Bern, was den Erhalt der Kaufkraft angeht.