Die Debatte über die Abstimmungsvorlage zum Ausbau der Autobahnen ist geprägt von Doppelmoral und Verlogenheit. Doppelmoral, weil die Gegnerseite die Autobahnen genauso braucht wie die Befürworterseite, selbst wenn sie kein Auto nutzt. Denn sieben von zehn in der Schweiz genutzten Gütern werden via Autobahnen verschoben. Wer beispielsweise online einen Pulli, einen Kühlschrank oder ein Velo bestellt, erhält das Paket über die Nationalstrassen geliefert. Die Romantik des viel gepriesenen Cargovelos mancher Linken und Grünen verliert spätestens dann ihre Unschuld. 

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Verlogen ist die Debatte, weil Menschen, ob links, grün oder bürgerlich, sich heute viel mehr bewegen als noch vor zwanzig Jahren. Ausbildung, Beruf, Gesundheit, Entwicklung – you name it. Dies gilt auch für die Wirtschaft. Sie ist viel agiler und mobiler als früher. Das zeigt etwa das Verhältnis der Bevölkerungszahl zu den Fahr- und Transportkilometern im Arbeitsverkehr: Die Nutzung der Eisenbahn und der Autobahnen pro Kopf hat stark zugenommen. Während aber der Transport von Menschen und Transitgütern mit dem Zug in den letzten zwanzig Jahren kräftig gefördert wurde, war das bei den Autobahnen nicht der Fall – in den letzten zehn Jahren kamen gerade mal 38 Kilometer Autobahn dazu.

Das rächt sich nun: Im Durchschnitt steht jedes Auto siebenmal länger im Stau als um die Jahrtausendwende, darunter Handwerker- und Lieferwagen, Lastwagen im Inlandverkehr und aufs Auto angewiesene Berufstätige. Sie verlieren Zeit und Geld und haben keine Alternative zur Strasse. Sie sind Gefangene des Staus, der verursacht wurde, weil Bundesbern den Autoverkehr beiseiteschob.

Ausbau von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga entschieden

Ironischerweise hat nicht SVP-Bundesrat Albert Rösti die Autobahnvorlage zur Abstimmungsreife gebracht. Es war dies seine Vorgängerin, die SP-Infrastrukturministerin Simonetta Sommaruga. Wäre sie noch im Amt, hätte Links-Grün vermutlich kein Referendum ergriffen, um der «eigenen» Bundesrätin nicht zu schaden. Jetzt aber, da ein SVP-Verkehrsminister die Vorlage verteidigt, (er-)finden die Gegnerinnen und Gegner Argumente, um die Nationalstrassen zu diskreditieren.

Weder geht es in der Autobahnvorlage um den Vollausbau der A1 auf sechs Spuren von Genf in die Ostschweiz. Noch sind die geplanten Autobahnausbauten megaloman oder «zu gross für die Schweiz», wie es die Gegnerschaft behauptet. Es geht um die Engpassbeseitigung an sechs kurzen, aber neuralgischen Stellen des 1500 Kilometer langen Nationalstrassennetzes.

Es geht darüber hinaus um die Beseitigung von Planungssünden der 70er-Jahre, als Autobahnen mitten durch die Städte gelegt wurden. Zürich, Luzern, Basel, St. Gallen. Dort staut es sich jetzt, weil das Netz nicht zu Ende gebaut wurde. Dort rinnt der Verkehr, statt dass er fliesst. Die debattierten Ausbauten für 4,9 Milliarden Franken sind auf zwanzig Jahre hinaus gedacht. Erst dann werden die Bauten fertig, sofern das Volk sie hoffentlich bewilligt.