Noch liegen nicht alle Ergebnisse der US-Zwischenwahlen vor. Offen ist insbesondere nach wie vor die Frage, welche Partei künftig Repräsentantenhaus und Senat im Kongress kontrollieren. Dennoch lassen sich bereits einige Rückschlüsse aus den Wahlen ziehen, bei denen es nicht nur um die beiden Parlamentskammern ging, sondern auch um Dutzende Gouverneursposten sowie Tausende Ämter und Entscheidungen auf Bundesstaats- und Kommunalebene.

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Keine «rote Welle»

Im Vorfeld der Wahlen hatten Umfragen zunehmend Hoffnungen der Republikaner geschürt, dass sie die Mehrheiten in beiden Kongresskammern erobern könnten. Im Repräsentantenhaus hatten ihnen manche Demoskopen sogar einen erdrutschartigen Sieg zugetraut. Diese «rote Welle» – angelehnt an die Parteifarbe der Republikaner – blieb jedoch vorerst aus. Die Demokraten konnten sich in einigen hart umkämpften Rennen behaupten. Da aber die Auszählung der Stimmzettel in zahlreichen Wahlkreisen noch andauerte, war nicht auszuschliessen, dass die Republikaner am Ende dennoch die Nase vorne haben – aber eben nicht so deutlich, wie es die Umfragen nahelegten.

Rückenwind für Trump?

Die Wahlen galten nicht nur als Stimmungstest für Präsident Joe Biden. Sein republikanischer Vorgänger Donald Trump brachte sich im Vorfeld bereits in Stellung für die nächste Präsidentschaftswahl in zwei Jahren. Am Vorabend der Wahlen versprach er seinen Anhängern für kommenden Dienstag eine «grosse Ankündigung». Es wird die Bekanntgabe seiner Kandidatur für 2024 erwartet.

Die Zwischenwahlen sollten dafür die Basis schaffen und ihm den nötigen Rückenwind verleihen. Zwar trat Trump selbst nicht an, mischte aber kräftig mit. Er protegierte zahlreiche Kandidaten und Kandidatinnen, die wie er bis heute seine Niederlage bei der Wahl von 2020 leugnen. Doch seine Schützlinge schnitten höchst unterschiedlich ab. Während der von ihm unterstützte Finanzmanager und Autor J.D. Vance das Rennen um einen Senatssitz in Ohio gewann, hatte der TV-Kardiologe Mehmet Oz in Pennsylvania das Nachsehen. Auch in anderen Bundesstaaten taten sich Trump-Kandidaten schwer.

Gleichzeitig muss sich Trump womöglich auf harte Konkurrenz in der eigenen Partei einstellen, wenn es um die Präsidentschaftskandidatur geht. Denn in Florida feierte Ron DeSantis seine Wiederwahl als Gouverneur. Ihm werden ebenfalls Ambitionen auf die Kandidatur der Republikaner nachgesagt. In der Partei halten ihn viele für eine wählbare Alternative, insbesondere für all diejenigen, die durch Trumps polarisierendes Gebaren abgeschreckt wurden.

Hoodie-Träger besiegt TV-Promi

Einen wichtigen Erfolg fuhren die Demokraten in Pennsylvania ein. Dort gelang es ihrem Kandidaten John Fetterman, den Republikanern einen Senatssitz abzujagen. Damit stiegen die Chancen der Demokraten, zumindest den Senat weiter zu kontrollieren. Der über zwei Meter grosse tätowierte Vizegouverneur und frühere Bürgermeister Fetterman besiegte den von Ex-Präsident Donald Trump unterstützten prominenten TV-Arzt Mehmet Oz. Im Wahlkampf punktete der Harvard-Absolvent Fetterman mit volksnahen Auftritten. Statt im Anzug zeigte er sich bevorzugt mit heraushängendem Hemd oder übergezogenem Hoodie. Er liess sich viel in ländlichen Gebieten blicken und versprach, sich für mehr Arbeiterjobs in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einzusetzen. Sein Sieg über Oz ist auch ein persönlicher Triumph. Im Frühjahr erlitt er einen Schlaganfall. Danach hatte Oz offen angezweifelt, ob Fetterman fit genug für den Senat sei.

Abtreibungsurteil mobilisiert Demokraten

Im Sommer hatten die Demokraten zwischenzeitlich in Umfragen deutlich zugelegt. Meinungsforscher führten das auf Empörung über ein Urteil des überwiegend konservativ besetzten Obersten Gerichtshofs zurück, mit der das seit Jahrzehnten geltende bundesweite Recht auf Abtreibungen gekippt wurde. Die Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen unterliegt nun den Bundesstaaten. Jedoch verloren die Demokraten in Umfragen wieder an Rückhalt, je näher die Wahlen rückten. Das schürte Zweifel, ob das Thema am Ende als Zugpferd ausreicht.

Während des Wahlabends häuften sich jedoch die Anzeichen, dass das Thema vielen Wählern und Wählerinnen auf den Nägeln brennt. Nachwahlbefragungen von Edison Research ergaben, dass die zwei wichtigsten Themen, die die Wählerschaft bewegte, die Lage der Wirtschaft und Abtreibung waren. Innerhalb der Anhängerschaft der Demokraten gaben sogar 76 Prozent an, dass sie vor allem das Recht auf Abtreibung bewegt habe.

Das zeigte sich unter anderem in Michigan, wo sich die demokratische Gouverneurin Gretchen Whitmer gegen ihre republikanische Herausforderin Tudor Dixon behauptete. Im Wahlkampf hatte Whitmer versprochen, bis zum äussersten für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche zu kämpfen. 

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(reuters/gku/tim)