Kaum jemand kennt Bundesbern und die internationale Wirtschaftsdiplomatie besser als Jean-Daniel Gerber. Der ehemalige Spitzenbeamte war von 2004 bis 2011 Direktor des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Diese intensive Zeit ist ihm noch sehr präsent. Wir treffen ihn in Bern im Hotel Schweizerhof. Er ist um keinen Scherz verlegen. Mit Amüsement erzählt der ambitionierte Berggänger etwa, wie er bei einem Gleitschirmflug als Passagier unfreiwillig in einem Misthaufen landete und dass ihm dank dieser «weichen» Unterlage fast nichts passiert sei. Doch wenn man auf Europa zu sprechen kommt, schaltet er in den Angriffsmodus. Er brandmarkt die Gründer von Kompass Europa als Anti-Europäer und lässt an ihren Argumenten kein gutes Haar. Der Ex-Verwaltungsrat der CS und der Lonza empfiehlt der Schweiz, sich gut zu überlegen, ob es klug wäre, der EU die Tür vor der Nase zuzuschlagen.
Kompass Europa sagt, dass die Souveränität in der Regulierung wichtiger sei als der privilegierte Marktzugang der Schweiz zur EU – auch für die KMU.
Was ich nicht verstehe, weil die Souveränität der Schweiz und die direkte Demokratie entgegen den Aussagen von Kompass Europa nicht zur Disposition stehen. Die Initianten von Kompass Europa, die auch die Gründer von Partners Group sind, sagen, sie hätten zig Firmen und 54’000 Angestellte in ganz Europa. Wenn die EU dermassen schlecht reguliert, warum ziehen sich die Partners-Group-Gründer dann nicht aus der EU zurück?