SVP und FDP sind die Wahlsieger. Beide behaupten, sie seien liberal. Zusammen mit den Grünliberalen und einigen liberaleren CVP-Vertretern haben jetzt also «die Liberalen» eine klare Mehrheit im Parlament und können zeigen, wie liberal sie wirklich sind. Was aber heisst liberal?
Wahrhaft Liberale wollen nicht einfach weniger Staat, tiefere Steuern und weniger Umverteilung. Vielmehr streben sie eine möglichst grosse individuelle Wohlfahrt an. Dazu gehören ein hoher individueller Wohlstand sowie grosse individuelle Freiheiten. Beides benötigt einen starken und schlanken Staat, gute und günstige Leistungen, hohe Chancengleichheit, effektive soziale Sicherung sowie eine intakte Umwelt.
Liberale sind nicht weniger sozial und umweltbewusst
Liberale sind also keinesfalls weniger sozial und umweltbewusst als Linke und Grüne. Aber sie sehen den Zielkonflikt zwischen individuellem Wohlstand und staatlichen Eingriffen realistischer. Letztere bringen Regulierungen, welche die Freiheit einschränken und zumeist leistungsfeindliche Anreize schaffen. Liberale wollen, dass alle Politik – auch Sozial- und Umweltpolitik – nicht zum Selbstzweck, sondern möglichst effizient betrieben wird, also möglichst wirksam, günstig und mit wenig negativen Anreizwirkungen. Dazu ein Vorschlag.
In der öffentlichen Diskussion nehmen unter anderem drei Probleme viel Raum ein: In Führungspositionen mangelt es an Frauen, viele Manager sind überbezahlt und das Gesundheitswesen leidet daran, dass die Krankenkassen Jagd auf gute Risiken machen. Die traditionellen Massnahmen im Umgang mit diesen Problemen sind Frauenquoten, Lohnvorschriften für Manager und eine weitgehende Zerregulierung des Gesundheitswesens - alles schwerwiegende Einschränkungen der Wirtschaftsfreiheit mit riesigen Nebenwirkungen. Was also tun und wo ist der Zusammenhang?
Führungsfähige Frauen und gute Manager sind knapp
Alle drei Probleme haben die gleiche Ursache: Führungsfähige Frauen, gute Manager und gesunde Prämienzahler sind knapp. Ihre Ausbildung und Förderung kostet Arbeitgeber und Krankenkassen viel Geld, der Nutzen fällt aber oft bei anderen Firmen und Kassen an, weil Frauen, Manager und gesunde Prämienzahler oft die Firma oder die Kasse wechseln. Alle Probleme können mit dem gleichen einfachen liberalen Konzept gelöst werden: Transferzahlungen.
Firmen und Kassen, die eine Frau, einen Manager oder einen gesunden Prämienzahler von einer anderen Firma oder Kasse übernehmen, müssten dieser eine angemessene Entschädigung zahlen. Dadurch hätten alle Firmen und Kassen beste Anreize, Frauen, Manager und die Gesundheit ihrer Prämienzahler zu fördern. Bald gäbe es viel mehr Frauen in Führungspositionen und die Managerlöhne sowie die Gesundheitskosten würden sinken.
Wahrhaft liberal
Zugleich würden die meisten heutigen Regulierungen zu Frauenanteilen, Managerlöhnen sowie zur Vermeidung der Jagd auf gute Risiken im Gesundheitswesen hinfällig. Und das alles ganz einfach, günstig, und mit minimalen Einschränkungen für die individuelle und wirtschaftliche Freiheit: Eben wahrhaft liberal.
* Reiner Eichenberger ist Professor für Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg.