Bald sollen alle Autofahrer zahlen, um Deutschlands Strassen zu erhalten – auch die Schweizerinnen und Schweizer. Das plant Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). Er nennt die Gebühr, über die bereits seit Jahren diskutiert wird, neuerdings «Infrastrukturabgabe». Das soll den Zweck der Sanierung der teils maroden Verkehrswege noch deutlicher machen – und die juristischen Erfolgschancen erhöhen.
Denn Deutschlands Nachbarn protestieren vehement gegen die Pläne. Nicht nur Österreichs Verkehrsministerin Doris Bures erwägt eine Klage, eventuell gemeinsam mit den Niederlanden. Auch in der Schweiz rufen erste Stimmen nach dem Rechtsweg. Es habe ihn «fast der Schlag getroffen», sagte SVP-Verkehrspolitiker Ulrich Giezendanner dem «Blick» und verlangt den Gang nach Strassburg.
Die Wut entzündet sich dabei an zwei Punkten: Zum einen wird die deutsche Vignette vergleichsweise teuer. Zum anderen sollen faktisch allein die ausländischen Autofahrer für Mehreinnahmen im Verkehrsbudget sorgen. Dazu die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wer muss zahlen?
Ab Januar 2016 sollen alle Fahrzeughalter auf allen deutschen Strassen – nicht nur auf Autobahnen – eine Gebühr für die Nutzung zahlen, so sieht es das am Montag vorgestellte Konzept vor. Wollen Schweizerinnen und Schweizer also mit dem Auto einen Wochenendeinkauf in Deutschland tätigen, müssen sie dies künftig berücksichtigen. Auf Landstrassen kann nicht ausgewichen werden, um die Gebühr zu umgehen.
Deutsche Autofahrer sollen dabei über einen Steuernachlass entlastet werden, so dass ihnen keine erhöhten Ausgaben entstehen. Die geplanten Mehreinnahmen von 860 Millionen Euro im Jahr für die Infrastruktur in Deutschland würden damit allein von ausländischen Fahrzeughaltern erbracht. Denn diese erhalten keinen Ausgleich für die von ihnen gezahlte Vignette.
Was kostet die Vignette?
Die Vignette soll im Durchschnitt 88 Euro pro Jahr kosten, der genaue Preis richtet sich nach der Öko-Klasse des Autos und dem Hubraum des Wagens. Damit wäre die deutsche Maut mehr als doppelt so teuer wie die Schweizer Vignette, die bekanntlich 40 Franken kostet.
Für Benziner soll in Deutschland ein Preis von zwei Euro pro 100 Kubikzentimeter gelten und für Diesel-Fahrzeuge von 9,50 Euro – allerdings wird eine Obergrenze von gut 100 Euro eingeführt. Teurer wird es für die Fahrer, die ihre Vignette an der Tankstelle und nicht im Internet kaufen. Dort werden pauschal 103,04 Euro für Benziner und 112,35 Euro für Dieselfahrzeuge fällig. Angeboten werden ausserdem Kurzeitvignetten. Diese wird für zehn Tage zehn Euro und für zwei Monate 20 Euro kosten.
Ist das Vorgehen rechtlich zulässig?
Die Einführung und auch der Ausgleich der Abgabe sind europarechtlich zulässig, sagt das deutsche Verkehrsministerium. Dobrindt argumentiert, dass deutsche Autofahrer bereits heute über die Fahrzeug-Steuer für den Erhalt der Verkehrswege in Deutschland zahlen, während dies ausländische Autofahrer bisher nicht tun. Die EU-Kommission prüft die Pläne. EU-Verkehrskommissar Siim Kallas sagte: «Wir sehen viele positive Elemente in dem heute von Dobrindt skizzierten Konzept.» Allerdings solle eine Diskriminierung von ausländischen Autofahrern vermieden werden.
Wo werden die Vignetten verkauft?
Die Vignetten sollen in erster Linie über das Internet verkauft werden. Auch Tankstellen werden die Aufkleber anbieten, allerdings zu höheren Preisen.
Gibt es Ausnahmen?
Fahrzeuge, die ganz oder teilweise von Kfz-Steuer befreit sind, wie Elektrofahrzeuge oder Fahrzeuge von Personen mit Behinderung, sind von der Abgabe befreit.
Wie halten es andere Länder in Europa?
Bisher erheben in der EU 21 Länder eine Abgabe für die Nutzung ihrer Autobahnen und Schnellstrassen. Dabei gibt es zwei Grundmodelle, eine Vignette oder eine streckenbezogene Nutzungsgebühr. Bei der streckenbezogenen Maut muss diese je nach Land beim Ein- oder Ausfahren gebührenpflichtiger Strassen oder per elektronischem System bezahlt werden. In einigen Ländern ist nicht das gesamte Autobahnnetz mautpflichtig. Die Länder, in denen eine streckenbezogene Maut erhoben wird, sind: Bosnien-Herzegowina, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Mazedonien, Norwegen, Polen, Portugal, Serbien, Spanien und die Türkei.
Mit einer Vignette erwerben Autofahrer das Recht, die Mautstrassen für einen bestimmten Zeitraum zu befahren. In drei europäischen Ländern gibt es eine Kurzzeitvignette für sieben Tage, in vier Ländern für zehn Tage. Ausserdem wird zumeist eine Vignette mit einmonatiger Gültigkeit verkauft.
Alle Länder bieten ausserdem eine Jahresvignette an, die Schweiz ausschliesslich. Die Preise für eine Kurzzeitvignette schwanken zwischen fünf Euro (Bulgarien) und 15 Euro (Slowenien) und für eine Jahresvignette zwischen 33 Euro (Schweiz) und 143 Euro (Ungarn). Folgende Länder haben eine Vignettenpflicht: Bulgarien, Österreich, Rumänien, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn.
(Mit Material von reuters/sda)