Deutschland im Ausnahmezustand. Die FDP ist weg, drittstärkste Kraft ist die Linke, CDU und CSU bilden nach ihrem Triumph mit 311 Sitzen die dominierende Fraktion. Das sind die Eckdaten, wenn heute erstmals die 631 gewählten Abgeordneten im Namen des Volkes zusammenkommen. Bei der konstituierenden Sitzung des 18. Deutschen Bundestags sitzen 401 wiedergewählte Parlamentarier im Plenum, 230 haben ihren ersten Arbeitstag. Doch es bleiben viele offene Fragen.

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Wer regiert jetzt?

Die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrer Minister endet heute. Allerdings nur offiziell. Artikel 69 des deutschen Grundgesetzes schreibt das zwar fest, aber die Regierung bleibt so lange geschäftsführend im Amt, bis ein neuer Kanzler gewählt ist. Und das kann dauern: Eine rechtliche Frist für die Neuwahl gibt es nicht. Um eine regierungslose Zeit zu verhindern, heisst es im Grundgesetz: «Auf Ersuchen des Bundespräsidenten ist der Bundeskanzler, auf Ersuchen des Bundeskanzlers oder des Bundespräsidenten ist ein Bundesminister verpflichtet, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen». De facto kommt dies einer Zwangsverpflichtung gleich. Gleichwohl erhält das alte Kabinett aber heute von Bundespräsident Joachim Gauck die Entlassungsurkunden.

Was passiert, bei Amtsunfähigkeit?

Da die Mitglieder einer geschäftsführenden Bundesregierung weder zurücktreten noch neue Minister berufen können, sprechen Juristen vom Grundsatz der «Versteinerung». Sollten doch Regierungsmitglieder aus Gesundheitsgründen oder anderweitiger Amtsunfähigkeit ausscheiden, müssten ihre Aufgaben von anderen Ministern übernommen werden. Sollte dies die Kanzlerin betreffen, müsste der Bundespräsident für eine geschäftsführende Vertretung sorgen. Im Regelfall dürfte er den Vizekanzler damit beauftragen.

Was darf die geschäftsführende Regierung?

Die Befugnisse entsprechen denen einer regulären Regierung: Sie kann Gesetzentwürfe beschliessen und im Bundestag einbringen, theoretisch sogar einen neuen Bundeshaushalt, oder Verordnungen erlassen. Allerdings ist nach Meinung von Verfassungsrechtlern grösstmögliche Zurückhaltung in der Ausübung der geschäftsführenden Ämter geboten. Selbst wenn keine Sensibilität herrschen sollte: Die Zustimmung des Parlaments in dem Schwarz-Gelb keine Mehrheit mehr hat, wäre schwer zu organisieren.

Nicht mehr möglich ist nun das Stellen der Vertrauensfrage durch die Kanzlerin oder ein konstruktives Misstrauensvotum durch das Parlament. Die einzige Möglichkeit zu einer vorzeitigen Auflösung des Bundestages besteht damit in dieser Übergangszeit darin, dass bei einer Kanzlerwahl auch im dritten Wahlgang kein Bewerber die absolute Mehrheit erhält und der Bundespräsident keinen Bewerber mit einfacher Mehrheit zum Regierungschef ernennt. Die bisherige Regierung bliebe aber auch dann über die Neuwahlen hinaus weiter geschäftsführend im Amt.

Wie läuft die konstituierende Sitzung ab?

Der älteste Parlamentarier eröffnet die Sitzung mit einer kurzen Ansprache und übernimmt solange den Vorsitz, bis der neue Bundestagspräsident gewählt ist. Diese Ehre wird erneut dem 77-jährigen CDU-Politiker Heinz Riesenhuber zuteil. Wie schon 2009 wird der ehemalige Bundesforschungsminister als Alterspräsident der konstituierenden Sitzung vorstehen. Nur einer hat dieses Amt häufiger bekleidet: Willy Brandt war drei Mal der Erstredner unter den Volksvertretern.

Dieser Artikel erschien zuerst in unserer Schwesterpublikation «Die Welt».