Die Schweiz muss ihre öffentlichen Budgets sanieren, ihre Verkehrsprobleme lösen und steuerlich wettbewerbsfähig bleiben. Wie soll das gehen?
Wir müssen unsere dümmste heilige Kuh, die extreme Subventionierung des Verkehrs, der Kostenwahrheit opfern. Die Autofahrenden müssen endlich die von ihnen verursachten externen Kosten – Schäden durch lokale Umweltbelastung, Lärm, Unfälle, Staus, Klima et cetera – über Road Pricing selbst bezahlen. Das bringt dem Staat mit vernünftigen Schätzungen der externen Kosten etwa 10 Milliarden Franken Mehreinnahmen – immer jährlich.
Weil die Autofahrenden dann die richtigen Anreize für ihr Mobilitätsverhalten haben, gibt es keinen Grund mehr, ÖV und Velo so wie heute mit rund 8 Milliarden Franken zu subventionieren. Und natürlich müssen auch die ÖV- und Velofahrenden für ihre Kosten via Umwelt, Unfälle, Klima, Lärm von – richtig gerechnet – wohl 3 bis 4 Milliarden Franken aufkommen. Damit bringt Kostenwahrheit im Verkehr dem Staat neuen Budgetspielraum von gut 20 Milliarden – jährlich. Zudem entfallen riesige zukünftige Ausgaben für Neubauprojekte.
Der Gastautor
Reiner Eichenberger ist Professor für Theorie der Finanz- und Wirtschaftspolitik an der Universität Fribourg und Forschungsdirektor von Crema – Center for Research in Economics, Management and the Arts.
Was soll der Staat mit den freien Mitteln machen? Natürlich zurück an die Bürgerinnen und Bürgern geben! Nun behaupten Politiker, die Bürger wollten keine Kostenwahrheit. Das ist falsch. Die Bürger wurden nur dies gefragt: Wollt ihr überrissene, löchrige Umweltabgaben, die der Staat in noch höhere Subventionen und härtere Regulierungen steckt? Kostenwahrheit hingegen fragt: Wollt ihr, dass alle Verursacher ihre Kosten angemessen selbst bezahlen und im Gegenzug die Steuern, Subventionen und Regulierungen massiv gesenkt werden? Das ist mehrheitsfähig – falls die Regierung ihre Hausaufgaben macht.
Sie muss endlich die bisher sträflich ignorierte, alles entscheidende Frage klären: Wer soll über die Verkehrsabgaben entscheiden, und wohin soll das Geld fliessen? Denn die Bürgerinnen und Bürger fürchten zu Recht, dass sie mit Road Pricing ausgebeutet werden können. Wenn die Stadt Zürich über die Abgaben entscheidet und das Geld in Zürich bleibt, wissen alle Nicht-Zürcher und Nicht-Zürcherinnen, dass sie ausgebeutet werden.
Geld soll an die Herkunftsgemeinden gehen
Wenn hingegen Bundesbern über die Abgaben in Zürich entscheidet und das Geld nach Bern fliesst, wissen die Zürcherinnen und Zürcher, dass sie ausgebeutet werden. Und wenn es eine optimale Staugebühr gibt, die genau so hoch angesetzt wird, dass sich der Verkehr so anpasst, dass er immer fliesst, wissen die Autofahrenden, dass dann viele Politiker nur noch eines kennen: Spurreduktion, um die Staugefahr zu erhöhen und so mehr abzukassieren. Deshalb braucht es eine anreizgerechte Lösung, die niemandem die Möglichkeit gibt, andere auszubeuten.
Mein Vorschlag geht so: Über die Gebührenhöhe soll eine unabhängige Kommission entscheiden, die den klaren Auftrag hat, die Gebühren verursachergerecht festzulegen. Die Road-Pricing-Erträge sollen an die Herkunftsgemeinden der Autofahrenden fliessen. Die Mittel aus der Streichung der ÖV-Subventionen und den Abgeltungen von ÖV und Velo für ihre externen Kosten sollen über die Senkung der Einkommens- und Mehrwertsteuern an die Bürgerinnen und Bürger zurückfliessen, aber die Regierungen und Parlamente sollen den Bürgern und Bürgerinnen alternative Vorschläge unterbreiten können. So profitieren dann alle: Bürger, Wirtschaft, Umwelt, Verkehrsfluss und Staat.