Nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sind sich die meisten Kommentatoren einig: Das wird auch Folgen für uns haben. Gemeint sind natürlich die Aussen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik. Alle rechnen mit weniger Engagement der Amerikaner für die europäische und damit auch unsere Sicherheit. Alle rechnen mit mehr Handelshemmnissen und tieferen Pharmapreisen.
Gemeint ist aber auch, dass Trumps Wahl einen Effekt auf unsere Innenpolitik haben wird. Wir haben gelernt, dass es sich lohnt, zu poltern, die Grenzen des Anstands zu überschreiten, das ganze Klavier des Populismus und der Polarisierung zu bespielen. Die Erwartung ist, dass sich ermutigt durch die Trump-Wahl das politische Klima der Schweiz weiter aufheizen wird.
Der Gastautor
Der Ökonom Klaus Wellershoff ist Gründer und Verwaltungsratspräsident von Wellershoff & Partners, Honorarprofessor an der Universität St. Gallen und regelmässiger Kolumnist der «Handelszeitung».
Ist das realistisch? Angesichts der Einstellungen von Schweizerinnen und Schweizern eigentlich nicht. Zu dieser Schlussfolgerung kommt zumindest die aktuelle Forschung. Die Polarisierung der Wähler hat bei uns seit gut zwanzig Jahren nicht zugenommen. Im Gegensatz dazu steht allerdings die ebenfalls wissenschaftliche Beobachtung, dass die politischen Forderungen der grossen Parteien in kaum einem Land so weit auseinanderliegen wie bei uns.
Wie kann es sein, dass die öffentliche Debatte immer schärfer zu werden scheint, auch wenn die Menschen ihre politischen Präferenzen und auch ihre Einstellungen gegenüber Andersmeinenden nicht gross verändert haben? Oder besser, wer profitiert denn von der Polarisierung?
Natürlich all diejenigen, die damit Geld, Einfluss und Macht gewinnen. Gemeint sind vor allem die in den letzten Jahren gewachsenen Parteien am äusseren Rand des politischen Spektrums. Gemeint sind auch all diejenigen, die über die Polarisierung teils fasziniert, teils empört und selbstgerecht berichten. Aufmerksamkeit ist die Währung der Medien, ob sogenannt sozial oder traditionell.
Bestes Beispiel für beides: Jüngst sagte ein Vertreter einer der Polparteien in einer Diskussionssendung des SRF, die vom Gladiatorenkampf polarisierender Politiker und Politikerinnen lebt: «Wir mussten polarisieren, wir waren nur eine 11-Prozent-Partei.»
Keine Frage, eine zugespitzte Formulierung hilft, die politische Position besser zu verstehen. Keine Frage aber auch, wer Grenzen überschreitet, verschiebt sie im gleichen Moment.
Amerika macht es vor. Aus vielleicht anfangs noch konstruktiv gemeinter Provokation entsteht mit der immanenten Logik des Immer-mehr der systematischen Grenzverschiebung eine ernste Gefahr für die demokratischen Institutionen.