Das Parlament hat sich nach drei Jahrzehnten ideologischer Grabenkämpfe geeinigt: Der steuerliche Eigenmietwert eines selbstbewohnten Wohneigentums soll abgeschafft werden. Gleichzeitig werden auch die damit verbundenen Abzüge abgeschafft: der Schuldzinsabzug und der Unterhaltsabzug. Sie boten die Möglichkeit, bei hoher Verschuldung oder hohen Renovationskosten die Steuern zu optimieren. Das Vorhaben heisst deshalb auch Systemwechsel der Eigenmietwertbesteuerung.
Beides abzuschaffen, ist eine faire Lösung für eine Steuer, die 1934 als provisorische Krisensteuer eingeführt wurde. Grabenkämpfe waren es, weil findige Bürgerliche jahrzehntelang darauf beharrten, nur den Eigenmietwert, nicht aber die Abzüge abschaffen zu wollen. Die Linke wusste diese Vorhaben sowohl im Parlament als auch an der Urne zu blockieren. Die Möglichkeit zur Steueroptimierung, die allein der Wohneigentümerschaft offensteht, war einer Mehrheit der Stimmenden stets ein Dorn im Auge. Und das zu Recht.
Die Profiteure werden vor allem Pensionierte sein, die die Hypothekarschulden für ihr Wohneigentum weitgehend abgezahlt haben. Darunter sind auch weniger vermögende Rentner. Als Härtefälle bezeichnet werden Leute mit einem tiefen Renteneinkommen, einer abbezahlten Immobilie und fehlenden liquiden Mitteln. Sie können in die Situation kommen, dass sie sich zur Begleichung der Steuern, die aus dem Eigenmietwert entstehen, verschulden oder ihr Haus gar vorzeitig veräussern müssen. Selbst SP-Co-Präsident Cédric Wermuth bezeichnete diese Situation solcher Eigentümer als Härtefälle. Im Parlament suchte er aber vergeblich nach Lösungen. Die Bürgerlichen lehnten seinen Vorstoss ab.
Mieterverband ist gespalten
Das Abstimmungsergebnis in den beiden Parlamentskammern zeigt, dass die SP geschlossen dagegen gestimmt hat – bis auf eine Prominente: Jacqueline Badran. Die SP-Fraktion, die zuerst für den Systemwechsel gestimmt hatte, änderte ihre Meinung, weil der Juso-Flügel der SP unter Cédric Wermuth und Mattea Meyer sich durchgesetzt hatte. In der linken Ecke dominiert die Ansicht, dass von den zu erwartenden Steuerausfällen – einer halben bis zwei Milliarden Franken je nach Hypozinshöhe – vor allem Reiche profitierten. Der Mieterverband unter dem Genfer Präsidenten Carlo Sommaruga (und SP-Ständerat) hat den Widerstand seiner Organisation gegen den Systemwechsel angekündigt.
Dass Badran, die SP-Vizepräsidentin und Vorstand des Mieterverbandes Schweiz (MV), sich der Stimme enthielt, zeigt aber, dass Hoffnung besteht, dass der Systemwechsel an der Urne eine Chance haben könnte. Bemerkenswert ist nicht nur Badrans Stimmverhalten, sondern auch das des Mieterverband-Vizepräsidenten Michael Töngi, Luzerner Nationalrat der Grünen. Auch er stimmte dafür. Anders gesagt: Der Vorstand des Mieterverbandes ist gespalten in der Frage der Abschaffung des Eigenmietwerts: Hier der ideologische Hardcore-Flügel der Westschweizer, vertreten durch Sommaruga und dort der pragmatische Deutschschweizer Flügel, verkörpert durch Badran und Töngi. Weitere Grüne wie die St. Galler Wirtschaftspolitikerin Franziska Ryser und der Freiburger Finanzpolitiker und IT-Unternehmer Gerhard Andrey stimmten ebenfalls für den Systemwechsel.
So besteht die Aussicht, dass pragmatische Linke sich im Abstimmungskampf sich gegen das Genfer Hardcore-Mietermillieu und die Juso-Anhängerschaft durchsetzen und mithelfen, die 1934 eingeführte und als unfair empfundene Krisensteuer abzuschaffen. Der Systemwechsel ist auch an der Urne zu schaffen.