Vor zehn Jahren gab die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Mindestkurs für den Schweizer Franken gegenüber dem Euro auf. Der folgende Franken-Schock führte zu einem starken Stellenabbau in der Industrie und warf die Schweiz zum zweiten Mal in kurzer Zeit in eine deflationäre Periode mit rückläufiger Teuerung zurück. Extrem tiefe beziehungsweise negative Zinsen waren die Folge. Ob die Aufhebung des Mindestkurses damals zu früh erfolgte, ist umstritten. Hingegen hat sich eine damals eingeführte Änderung in der Wechselkurspolitik der SNB bis heute bewährt: Sie orientiert sich seither am realen, handelsgewichteten Frankenkurs und nicht mehr in erster Linie am Kurs zum Euro.

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An der damaligen Pressekonferenz führte Thomas Jordan zwei Gründe für die Aufhebung des Mindestkurses auf: Erstens habe die Überbewertung des Frankens in den etwas mehr als drei Jahren mit dem Mindestkurs abgenommen, weil die Teuerung in der Schweiz tiefer war als im Ausland. Mit anderen Worten: Nicht der nominelle Wechselkurs ist für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz relevant, sondern der reale Wechselkurs, der um die unterschiedlichen Teuerungsraten bereinigt ist. 

Der Gastautor

Serge Gaillard ist Ökonom und ehemaliger Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung.

Zweitens begründete Thomas Jordan 2015 die Aufhebung des Mindestkurses mit der unterschiedlichen Geldpolitik in den USA und Europa. Dadurch habe sich der Dollar gegenüber dem Euro aufgewertet, eine Entwicklung, die sich fortsetzen werde. Eine Anbindung des Frankens an den Euro würde deshalb zu einem Wertverfall des Frankens führen. Mit anderen Worten: Er wollte die Geldpolitik nicht nur am Wechselkurs zum Euro orientieren, sondern am handelsgewichteten Wechselkurs, der auch anderen Währungen Rechnung trägt. 

Seither trägt die Nationalbank in ihrer Zinspolitik dem realen handelsgewichteten Wechselkursindex systematisch Rechnung. Dieser berücksichtigt die Austauschverhältnisse zu allen Handelspartnern und korrigiert die Wechselkurse um die unterschiedlichen Inflationsraten. Weicht dieser Index zu stark von «normalen» Werten ab und gefährdet damit die Stabilisierungsziele, zögert die Nationalbank nicht, auf den Devisenmärkten zu intervenieren.

Diese Politik ist zwar nicht ganz einfach zu kommunizieren. Sie war aber in den letzten zehn Jahren erfolgreich. So verhinderte die Nationalbank in der Covid-Krise durch Interventionen an den Devisenmärkten eine zu starke Aufwertung des realen Franken-Kurses. Und in den Jahren 2022 und 2023 hat die SNB, unter anderem durch Devisenverkäufe, den Franken nominell aufwerten lassen, um sicherzustellen, dass die ausländische Inflation nicht in die Schweiz importiert wird. Solange die Aufwertung die Teuerungsunterschiede nicht überstieg, blieb die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz erhalten. 

Die Preisstabilität konnte mit dieser Politik rasch wieder erreicht werden. Die Teuerung ist heute tief. Hingegen hat sich die Wirtschaft abgeschwächt. Sie leidet sowohl an der schwachen Konjunktur in Deutschland als auch am noch immer etwas starken Franken, gemessen am realen, handelsgewichteten Wechselkursindex. Vor diesem Hintergrund war die im Dezember erfolgte Senkung der Leitzinsen um 0,5 Prozent gut begründet.