Das Coronavirus hat die Schweiz erneut im Griff. Solange die neuen Massnahmen noch nicht greifen, werde sich das Virus ungebremst weiter ausbreiten, sagte Stefan Kuster, Leiter für übertragbare Krankheiten des BAG, vor den Medien. Und ob sie wirken, wird sich erst in einigen Tagen zeigen.

Der Bundesrat hat denn auch heute diverse Szenarien geprüft. Sollten die Ansteckungs-Kurve in den kommenden Tagen abflachen, so wird die Landesregierung kommenden Mittwoch weitere Schritte beschliessen: Dies sagte Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch vor den Bundeshausmedien. Konkreter: Denkbar seien Beschränkungen in öffentlichen Einrichtungen, bei Versammlungen oder Veranstaltungen.

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«Ziel ist, eine Schliessung der Gesellschaft zu verhindern», so der Bundesrat. Zuvor hatten diverse Medien und Experten mit der Idee geliebäugelt, dass die Schweiz womöglich einen zweiten Lockdown wagen muss. Andererseits wollen Politik und Behörden den Schritt unbedingt vermeiden. «Wir müssen alles versuchen, um einen zweiten Lockdown zu verhindern», sagte Seco-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch am Dienstag in Bern: Die wirtschaftlichen Folgen wären gravierend.

Konkret wird auch ein Mini-Lockdown diskutiert – eine Schliessung der Wirtschaft von etwa zwei Wochen. Allerdings wären die Kosten auch hier hoch. So bezeichnete Bundesrat Berset einen Mini-Lockdown als eins der möglichen Szenarien. Allerdings seien die wirtschaftlichen Kosten solcher-Teilschliessungen noch nicht berechnet. Es gebe jedoch keinen Automatismus, also keinen Grenzwert der Fallzahlen, ab ein  Lockdown verhängt würde.

«Circuit Breaker»: Versuch ohne Vorbild

Corona-Manager Kuster antwortete am Dienstag ausweichend auf die Frage, ob solche kurzzeitigen Lockdowns sinnvoll seien: Es gebe Länder, die sich solche genannten «circuit breakers» überlegen. Wie sie sich in der Praxis bewähren, müsse sich erst zeigen. Auch Berset wollte sich nicht festlegen: Die Lage ändere schnell, und man müsse alles prüfen. Aber man sei noch nicht in einer Lage, wo man so einen Schritt anvisieren müsse.

Auf Journalistenfragen nach radikaleren Massnahmen – Stichwort: Ausgangssperre – gab sich Berset am Mittwoch eher ablehnend: Er könne nichts ausschliessen, aber die Situation sei heute anders als im Frühjahr. Man wisse viel besser, wie zu reagieren sei. Und damals sei die Schweiz auch ohne Ausgangssperren durch die Krise gekommen. «Es braucht keine Schliessungen gegen die Menschen», so der Bundesrat. «Wir müssen auch leben.» 

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Der Bund will der Spekulation über einen möglichen Mini-Lockdown nicht vorgreifen und werde nicht vorab mitteilen, wann welche Massnahmen in Kraft treten könnten. «In der Praxis ist es sehr schwierig, auf die Dynamik der Fallzahlen zu reagieren. Vor vier Wochen hätten wir nicht gedacht, dass wir heute in dieser Situation sind», sagte Kuster. Daher gebe es bisher auch kein Stufenmodell, dass eine automatische Verschärfung der Massnahmen vorsieht. 

Die Wirtschaft wehrt sich gegen die Idee: Ein Kurz-Lockdown wäre «verheerend», sagte Economiesuisse-Chefökonom Rudolf Minsch im «Blick». Selbst bei wenigen Wochen Unterbruch drohten «massive soziale und wirtschaftliche Schäden». Und immerhin hätte Schweden bewiesen, dass man auch die Fallzahlen ohne Lockdown senken könne.

Gegen derartige Ideen wendet sich auch Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff: «Die Erholung braucht bedeutend länger, als viele angenommen hatten. Da verträgt es keinen weiteren Lockdown, sei er noch so kurz». Und sein Amtskollege bei der UBS, Chefökonom Daniel Kalt, warnt ebenfalls vor «Kurzschlusshandlungen»: «Jegliche weitere Schliessung raubt noch mehr Betrieben die Chance, das Jahr halbwegs schadlos über die Runden zu bringen.» 

Was solch ein «Circuit Breaker» kosten würde, ob sich die Schweiz das leisten könnte – das weiss auch der Bundesrat nicht. Man habe dazu keine Berechnungen angestellt, sagte Alain Berset am Mittwoch: «Denn wir sind noch nicht so weit». Es gelte, solch ein Szenario grundsätzlich zu vermeiden.

Wirtschaft hofft auf Schnelltests

Auch regionale Lockdowns wären eine Option. Nach und nach beschliessen die Kantone eigene Massnahmen zur Eindämmung des Virus. Der Kanton Bern geht dabei am weitesten, Grossveranstaltungen sind gestoppt und die Universität Bern führt teilweise wieder Fernunterricht ein. 

Die Stadtberner Bar- und Clubbetreiber fordern eine Entschädigung für ihre Fixkosten. Schliesslich habe der Bundesrat mit den Beschlüssen vom Sonntag alle Bars, Clubs und Konzertlokale faktisch geschlossen.

Auch Zürcher Bars und Clubs leiden unter den neuen Vorgaben des Bundes zum Schutz vor dem Coronavirus. Die Nachtkultur-Betriebe sehen sich laut der Zürcher Bar & Club Kommission «de facto mit einer amtlich verordneten Schliessung» konfrontiert.

Die Kantone Basel-Stadt und Baselland verbieten nun Grossveranstaltungen mit über 1000 Personen. Betroffen sind in Basel die Spiele des FC Basel und eine Show im Musical Theater Basel. Das Veranstaltungsverbot gilt bis Ende Jahr.

Positiv sei die Entwicklung bei den Schnelltests, so Kuster weiter. Nun muss entschieden werden, wer diese Tests machen könne und was mit den positiv Getesteten geschehe. Teile der Wirtschaft sprechen bereits von einem Gamechanger, etwa Tourismus- und Luftfahrtbranche.

(mlo)