Herr Wermelinger, worauf stützt sich der Trendbarometer 2021?
Der Bericht ist das Resultat einer umfassenden Analyse der Portefeuille-Entwicklung unseres Hauses gepaart mit den Rückmeldungen aller wesentlichen Risikoträger. Die Erkenntnisse unserer Kollegen in den führenden Versicherungsmärkten wurden ebenfalls mitberücksichtigt.
Können Sie vorab eine zusammenfassende Aussage zu 2021 machen?
Wohl mit Ausnahme der Transportversicherung ist die Trendwende zu weniger Kapazitäten, höheren Prämien und Selbstbehalten und eingeschränkterem Deckungsumfang definitiv auch in der Schweiz angekommen, wobei sich die Ausprägung bei internationalen Kunden deutlich stärker akzentuiert als für rein lokale Risiken ohne negative Schadenbelastung. Der D&O- und Cyber-Versicherungsmarkt gestalteten sich jedoch generell als sehr herausfordernd.
Was sind die direkten Konsequenzen?
Der Aufwand, Versicherungslösungen sowohl für unsere Kunden als auch für uns zu erneuern oder gar neu zu platzieren, steigt überproportional. Erstmals seit rund zwei Dekaden müssen die Versicherungsverantwortlichen unserer Kunden teilweise erhebliche Mehrkosten budgetieren und/oder schmerzliche Einschränkungen in Kauf nehmen.
Blicken wir kurz auf das zurückliegende, prägende Jahr zurück.
2020 war das fünftteuerste Katastrophenjahr der letzten 20 Jahre und damit eine der Hauptursachen für die derzeit schwierigen Marktbedingungen. In den grossen Versicherungsmärkten stellten wir diese Verhärtung des Markts bereits seit 2018 fest. Der Beginn der Covid-19 Pandemie führte zu einem jähen Ende des käuferfreundlichen Marktes.
Wie versuchen die Versicherer darauf zu reagieren?
Vorab die internationalen Player haben neue, global einheitliche Zeichnungsrichtlinien eingeführt und überwachen deren Einhaltung konsequenter. Im Windschatten dieser Marktteilnehmer haben auch die übrigen Versicherer die Gunst der Stunde erkannt. Ganz grundsätzlich gilt, dass sich alle das angebotene Risiko wesentlich genauer anschauen und nicht zögern den Deckungsumfang einzuschränken, die Höhe der bisher zur Verfügung gestellten Kapazität zu reduzieren sowie höhere Selbstbehalte und Prämien zu verlangen – bis hin zum gänzlichen Verzicht überhaupt ein Angebot abzugeben.
Gibt es weitere Massnahmen?
Covid-19 hat die Versicherer wachgerüttelt auf systemische und unbekannte Risiken zu achten. Um stille Deckungen und blinde Exponierungen möglichst zu vermeiden, setzen sie neue Ausschlussklauseln ein. Wir erkennen einen noch stärker zentralisierten Ansatz und eine härtere Gangart bei der Schadenregulierung. Für jeden Teil ihres Portfolios werden die Versicherer versuchen Gewinne zu erzielen. Die steigenden Informationsanforderungen und Reduktion der lokalen Entscheidungskompetenzen der Underwriter habe ich ja bereits erwähnt.
Was heisst das für den globalen Trend?
Keine markanten Grossschäden vorausgesetzt, wird die angelaufene Erneuerungsrunde unter den dargestellten Rahmenbedingungen ablaufen. Unsere Kollegen in den weltweiten führenden Versicherungsmärkten berichten aber bereits, dass erste Versicherer auf Wachstum drängen. Wir sehen hier das Potential einer Dämpfung des Prämienanstiegs. Wie gesagt, hinken wir in der Schweiz etwas hinten nach und darum wird dieser Effekt bei uns vermutlich eher später einsetzen und ist natürlich abhängig von der weiteren Entwicklung im Heimmarkt.
Und was heisst das für Schweizer Kunden?
Teilweise profitieren diese noch von besseren Konditionen dank Mehrjahresverträgen. Diese laufen in nächster Zeit jedoch ab und sind den Marktentwicklungen deutlich stärker ausgesetzt, mit dem Resultat substanzieller Prämienerhöhungen, Selbstbehalts-Anpassungen und Deckungseinschränkungen.
Was bedeutet dies für die Schadenkostenquote?
Die Combined Loss Ratios der meisten Versicherer waren Ende 2020 noch teilweise deutlich über 100% oder nahe an 100%. Dabei sind die Auswirkung der Covid-19 Schadenfälle jedoch noch nicht komplett berücksichtigt. Erst die 2021er Resultate werden zeigen, ob die getroffenen Massnahmen Früchte tragen und keine weitere Verhärtung nach sich zieht.
Die Covid-Pandemie war jedoch nicht der einzige Faktor im laufenden Jahr.
Nein, auch die Häufung der Naturkatastrophen-Fälle der letzten Jahre zeigen ein negatives Bild auf und wenn man an die Waldbrände in Südeuropa, die Unwetter-Schadenfälle in Deutschland und der Schweiz in der ersten Jahreshälfte 2021 denkt oder an den Beginn der Hurricane-Season, so wird sich dies weiter negativ auf die Combined Ratios der Versicherer auswirken.
Also sind es hauptsächlich Naturkatastrophen, welche starken Einfluss haben?
Schon sehr stark, doch ebenso sind die von Menschen verursachten Schäden verantwortlich, die immer häufiger und schwerer ausfallen. So mussten 2020 von den 83 Milliarden Franken versicherten Schäden rund 7.5 Milliarden Schweizerfranken den sogenannte „man made disaster“ zugeordnet werden. Darüber hinaus haben auch die „social inflation“ Schadenfälle, insbesondere in den USA, eine negative Auswirkung auf die Profitabilität der Versicherer.
Was raten Sie ihren Kunden?
Eine frühzeitige Vorbereitung und qualitativ hochwertige Risikoinformationen sind matschentscheidend. Setzen Sie gemeinsam mit uns Prioritäten und diskutieren Sie frühzeitig die Erneuerungsstrategie. Die Zeit ist kritisch und der Erneuerungsprozess dauert in der Regel länger als angedacht. Wir rechnen für eine komplexe Platzierung unter Einbezug des Internationalen Erst- und Rück-Versicherungsmarktes mit einer Vorlaufzeit von mindestens sechs Monaten.
René Wermelinger hat mehr als 25 Jahre Erfahrung als Versicherungsmakler, davon zwei Jahre als Inhouse Broker eines multinationalen Unternehmens. Als Haftpflichtmakler hat er für nationale und internationale Kunden gearbeitet, wie auch als Kundenbetreuer in allen Versicherungssparten. Als Chief Broking Officer ist er innerhalb von Aon Schweiz für das Property & Casualty Business verantwortlich. Vor seiner Ernennung zum CBO leitete René Wermelinger das Haftpflichtbrokerteam und die Praxisgruppe Haftpflicht bei Aon Schweiz. Er begann seine Karriere bei Kessler/Marsh in Zürich, bevor er Versicherungsmanager in der Abteilung Corporate Risk Management bei Rieter in Winterthur wurde. René Wermelinger hat ein Master Advanced Studies Certificate in Risk Management der Universität Luzern sowie die Zertifikate für Chartered Insurance Broker (CIB) und Associate in Risk Management (ARM) des Schweizerischen Versicherungsinstituts.
Der Markt gewinnt weiterhin an Reife und die Position der Käufer erschwert sich. Ereignisse im Grossschadenbereich haben eine erhöhte Frequenz entwickelt. Die Dynamik des Marktplatzes verändert sich grundlegend – die Kombination aus kurz- und langfristigen Risiken spielt eine zentrale Rolle. Die Mindestanforderung, um sich überhaupt für Cyber-Deckung zu qualifizieren, steigt massiv an. Die Versicherer verstehen und fordern immer mehr. Die Nachfrage nach einem sauberen Risk Assessment, um die Cyber-Risken zu erfassen, bewerten und wo möglich in die Versicherungsindustrie zu transferieren, nimmt deutlich zu.