Das ging schneller als geplant, sagt Esther Graf. «Wir haben die Grundlagen für Smart Working erstellt, aber den Prozess noch nicht vollständig ausgerollt.» Dann kam die Pandemie und Homeoffice war Tatsache. Graf ist bei AXA Schweiz verantwortlich für Health Management. Mit dem neuen Arbeitsmodell will die Versicherung ihre Attraktivität als Arbeitgeberin unterstreichen sowie den rund 4500 Angestellten eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für viele Stellensuchende immer wichtiger – in einer hybriden Arbeitswelt gelingt dies einfacher. 

«Früher ging man ins Geschäft, hat gearbeitet und ging wieder nach Hause», stellt Esther Graf fest. Man habe das Familienleben dem Job angepasst. Mittlerweile sei die Arbeit ständig präsent. Darum sei das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) gefordert, betont Graf. AXA Schweiz führt seit 2011 das Label «Friendly Work Space» von Gesundheitsförderung Schweiz. Dieses zeichnet Betriebe aus, die sich nach sechs Qualitätskriterien um das Wohlergehen ihrer Mitarbeitenden kümmern. 

Parallel zur Veränderung der Arbeitswelt ändern sich die Anforderungen ans Gesundheitsmanagement. «Corona hat diese Entwicklung beschleunigt. Wir sprechen jetzt mehr über Ergonomie im Homeoffice, mentale Gesundheit und digitale Abgrenzung.» So schnell dieser Wandel vom fixen Arbeitsplatz zum hybriden Arbeiten ging, so flexibel mussten die BGM-Massnahmen angepasst werden. «Das betriebliche Gesundheitsmanagement hat sich in den letzten Jahren massiv verändert», sagt Graf. Gesundheitsförderung Schweiz beschäftigt sich intensiv mit New Work und stellt Informationen und Hilfsmittel für den Arbeitsplatz der Zukunft zur Verfügung.

Hybrides Arbeiten neu lernen

Bezogen auf Smart Working stelle sich die Frage, wie Arbeitswelt und Privatleben getrennt werden können? «Wir müssen als Menschen, als Gesellschaft, lernen, damit umzugehen. Und wir als Unternehmen speziell», sagt Esther Graf mit Blick auf die neuen Arbeitsmodelle, die bei der AXA schon gelebt werden. 

Gemäss der jüngsten Befragung wollen die AXA-Mitarbeitenden nur noch 2,1 Tage pro Woche im Büro präsent sein. «Aber wir wissen auch, dass das Fehlen des sozialen Miteinanders im Homeoffice eine grosse Herausforderung ist.» Als Beispiel nennt sie den informellen Austausch: «Wer ins Büro kommt, soll sich ganz bewusst Sozial-Zeit für den gemeinsam Kaffee einbuchen.» 

Das Unternehmen, das in der ganzen Schweiz Niederlassungen betreibt, hat seine BGM-Angebote den neuen Gegebenheiten angepasst: So wird der Qi Gong-Kurs auch nach Aufhebung der Coronamassnahmen nur noch digital angeboten. «Wir müssen uns zum Teil neu erfinden – und immer überlegen: Was machen wir hybrid, was vor Ort?». Etwa bei Lunch & Learn. Heute komme niemand mehr einfach ins Büro, nur weil es Weiterbildung und ein gratis Zmittag gebe, hält Graf fest. «Man muss die Mitarbeitenden schon überzeugen und ihnen den Mehrwert aufzeigen.» 

Die Teams müssen sich ebenfalls auf die neuen Bedingungen einlassen. Beispielsweise besprechen, welche Meetings hybrid und welche physisch stattfinden sollen. Gleichzeitig werden bei der AXA die Rollen in den Teams aufgrund von agilen Strukturen wichtiger, sagt  Graf. Sprich: Flache Hierarchien, ohne klassische Führungskraft, erfordern eine neue Organisation.

«Früher trug die Chefin oder der Chef die Verantwortung für den Erfolg. Aber auch für die Belastung der Mitarbeitenden und deren Gesundheit.» In den agilen Teams der AXA kümmern sich People Developer um das Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung der Kolleginnen und Kollegen. «Auch hier muss wieder ein neues Lernen stattfinden.»
 
Gesundheitsmanagement müsse Teil der Unternehmenskultur sein, so Graf. Bei der AXA gibt es ein Employee Care Team, an das sich Mitarbeitende in schwierigen Situationen wenden können. In Kursen werde thematisiert, wie man die Fürsorgepflicht in der neuen Arbeitswelt aufrechterhalten könne. «Wie merke ich, wie es meinen Mitarbeitenden geht, wenn ich sie nur noch im Call sehe?», beschreibt die BGM-Verantwortliche die Fragestellung. 

Wie Probleme ansprechen?

Als «Friendly Work Space» Label-Betrieb bietet die AXA auf der internen Gesundheitsplattform eine Übersicht über alle wichtigen Themen und Angebote. Auch das Zwischenmenschliche muss stimmen, ist Graf überzeugt: «Die Frage ist: Wie bringen wir Teamleader dazu, Probleme früh anzusprechen? Und wie bringen wir Mitarbeitende dazu zu sagen, dass es ihnen nicht gut geht?»

Auch die 234 Lernenden der AXA können die BGM-Angebote nutzen. Aufgrund ihrer Lebensphase des Übergangs von Schule ins Berufsleben werden sie über die Lehrlingsabteilung separat unterstützt. «Junge haben andere Bedürfnisse», erklärt Esther Graf. Darauf geht auch Gesundheitsförderung Schweiz mit dem Angebot Apprentice ein. Dieses hilft Berufsbildenden, die psychische Gesundheit von Lernenden zu fördern.

Vorteil Friendly Work Space

Esther Graf will sich beim Messen des Erfolgs der Gesundheitsmassnahmen nicht nur auf die Absenzquote verlassen, die lange als brauchbares Werkzeug galt. «Kurze Absenzen werden bei der digitalen Arbeitsweise oft gar nicht mehr erfasst.» Hier seien Teams und Teamleader in der Pflicht, damit kranke Kolleginnen und Kollegen sich erholen und nicht arbeiten würden. «Sie müssen eine Haltung zu diesen Themen haben, etwa über die ständige Erreichbarkeit. Da gehts auch um die Vorbildfunktion der Führungskraft.» 

Die Health Managerin vertraut eher Kennzahlen wie Überstunden oder der direkten Frage: Wie schätze ich als Mitarbeitender die Balance zwischen Ressourcen und Belastungen ein?

Für Graf sprechen mehrere Gründe für das Label «Friendly Work Space»: Einerseits seien nur gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leistungsfähig. Und der Leistungsdruck nehme in ihrer Branche zu. 

«Zudem sprechen wir als Versicherung auch mit Kunden über betriebliches Gesundheitsmanagement. Da ist es sinnvoll, wenn auch wir BGM umsetzen.» Nicht zuletzt will die AXA als führende Versicherung eine attraktive Arbeitgeberin sein. «Das Label ‹Friendly Work Space› ist dabei auf dem Arbeitsmarkt sicher ein Vorteil.»

Das ist Friendly Work Space

Das Label «Friendly Work Space» setzt den Schweizer Qualitätsstandard für systematisch umgesetztes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM), das vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) und dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) unterstützt wird. Das Label stellt die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz aus, die von Kantonen und Versicherern getragen wird und einen gesetzlichen Auftrag hat. 
«Systematisch umgesetztes betriebliches Gesundheitsmanagement lohnt sich für eine Firma aufgrund der präventiven Wirkung und Massnahmen zu einer raschen Wiedereingliederung von Mitarbeitenden auch finanziell. BGM und speziell das Label «Friendly Work Space» wirkt zudem attraktiv auf Stellensuchende, was ein Vorteil für Unternehmen in der Rekrutierung ist. Mit Apprentice bietet Gesundheitsförderung Schweiz zudem ein Angebot für Berufsbildende zur Förderung der psychischen Gesundheit von Lernenden an», so Thomas Brändli, Projektleiter Kommunikation BGM. 

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