Auch wenn das Ende der Bankberatung in Medien, Foren oder Diskussionsrunden immer wieder herbeigeschrieben und -geredet oder die Ersetzung des Menschen durch Roboter prophezeit wird: Beraterinnen und Berater werden in den Banken weiterhin benötigt – unabhängig vom Existieren von Fintech, Margendruck oder Bankensterben. Genauso wie die Banken ihre organisationale und prozessuale Fitness steigern müssen, müssen sie sich dazu aber auch Gedanken über die Persönlichkeit ihrer Mitarbeitenden an der Kundenfront machen.
Der Hauptgrund dafür: Das Verhältnis zwischen Kunde und Berater hat sich massiv verändert. Genügte früher der Status als Banker, erlangt der Berater heute den Respekt des Kunden nur durch fundiertes Wissen, über seine Persönlichkeit und über seine Kommunikationsfähigkeit. Kunden sprachen einst vom Bankbeamten, heute betrachten sie ihn als erfahrenen Coach, der sie in Finanzangelegenheiten begleitet. Banken sind zwar gefordert, sich mit Big-Data-, Cloud- und Blockchain- sowie Artificial-Intelligence-Technologien vertraut zu machen, weil sich Bedürfnisse, Ansprüche und Medienverhalten der Kunden jedoch laufend verändern, müssen der Kunde als Persönlichkeit und sein Kundenerlebnis in den Mittelpunkt gestellt werden.

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Soft Skills schwer im Kommen

Mit dieser Entwicklung steht die Bankbranche nicht alleine da. Geht es nach der Studie «2016 Digital Business Global Executive Study and Research Project» von MIT Sloan Management Review und Deloitte, gehören Soft Skills zu den wichtigsten Faktoren für Fach- und Führungskräfte, wenn sie die Digitalisierung im Unternehmen voranbringen wollen. Nicht einmal die Kompetenzen im Bereich IT- oder Ingenieurswissenschaften sind so wichtig wie die Soft- Skill-Kompetenzen, die Manager und Führungskräfte im Laufe des Berufslebens erlangen.
Damit eng verzahnt ist auch die Notwendigkeit, dass die Unternehmen in die Fortbildung ihrer Führungskräfte investieren, damit die digitale Kultur in den Teams und in den Arbeitsabläufen Einzug halten kann. Dies gilt sowohl für jüngere als auch für ältere Führungskräfte, da sonst gerade die älteren durch das Gefühl der Vernachlässigung über einen Unternehmenswechsel nachdenken. Umgekehrt steigt die Attraktivität eines Unternehmens, wenn bekannt ist, dass dieses auf die Weiterbildung seiner Führungskräfte und Talente setzt.


Bildungsinstitute entdecken die weiche Seite

Auch Weiterbildungsinstitute im Bereich Banking und Finance spüren die oben genannten Tendenzen. «Die Nachfrage nach Ausbildungen und Weiterbildungen im Bereich Soft Skills besteht ganz klar», betont etwa Silvia Helbling, Head Continuing Education am Swiss Finance Institute (SFI). Gerade bei grösseren Unternehmen würden die entsprechenden Bedürfnisse – zurzeit zum Beispiel im Bereich Personalführungskompetenzen – zu einem grossen Teil intern abgedeckt. Trotzdem integriert das SFI dieses Thema vermehrt in seine Managementlehrgänge sowie in Fachausbildungen. Einen besonders grossen Stellenwert geniesst es in den Fachbereichen Private Banking und Wealth Management. «Im Dienstleistungsbereich sind Sozial- und Selbstkompetenz von jeher zentral. Durch die teamorientierte Arbeitsweise und den verstärkten Einsatz von digitalen Kommunikationsmitteln werden Soft Skills nun einfach noch wichtiger für den Berufsalltag.» So werden etwa im Bereich Private Banking Gesprächsführungs- und Beratungskompetenzen vermittelt, Selbst- und Sozialkompetenz sind in den Themenbereich Change Management integriert.
An der ZHAW sind Soft Skills gemäss Angaben von Maximilian Müller, Studiengangsleiter des Bachelors in Betriebsökonomie an der School of Management and Law, Bestandteil aller Module. «Der Arbeitsmarkt verlangt dies mit zunehmender Tendenz.» In verschiedenen Modulen spiele die Förderung von Soft Skills bereits eine tragende Rolle und werde weiter ausgebaut. 


Arbeit an der Persönlichkeit

Auch Kalaidos spürt die gestiegene Nachfrage nach weichen Themen. «Vor allem in den Masterlehrgängen erhalten wir regelmässig das Feedback, dass Soft-Skill-Module etwas vom Wichtigsten des Studienganges waren», sagt Bernhard Koye, Instituts- und Studiengangsleiter MAS Banking & Finance. 
Doch nicht nur in den Masterlehrgängen, auch in den DAS und CAS, werden die «Collaboration Skills für das digitale Zeitalter», wie sie die Fachhochschule bezeichnet, für das digitale Zeitalter auf zwei Ebenen eingebaut. «Einerseits operativ, in der Art der Gestaltung der Lehr- und Lerndialoge mit Feedbackschlaufen und gegenseitigem lösungsorientierten Feedback der Studierenden.» Andererseits, so Koye, sei das Fach Selbstkompetenzen und Leadership im digitalen Zeitalter ein wesentlicher Bestandteil des CAS und des MBA Bankensteuerung und -führung. «Organisationsentwicklung, Gruppen- und Teamdynamik sowie persönliche Kompetenzen zur Kooperation und Führung im agilen Zeitalter werden an konkreten Situationen und mit Anwendungen in der eigenen Firma trainiert.» 

Der Zeit voraus war das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern (HSLU), das bereits seit 1999 das CAS Führungskompetenz für Finanzfachleute anbietet. Seit ein paar Jahren stellen die beiden Studienleiter Richard Egger und Paul A. Truttmann einen prinzipiellen Wandel in der Einstellung von Kadermitarbeitern im Finanzsektor fest. «Führungskräfte wollen nicht mehr nur Techniken lernen, sie sind auch bereit, an ihrer Persönlichkeit zu feilen. Sie vermehren ihr soziales und kulturelles Kapital und setzen es in ihren Karrieren ein.» Mit den aktuellen Entwicklungen in der Finanzdienstleistungsbranche wird dies immer wichtiger. «Da Banken vornehmlich Me-too-Produkte anbieten, ist es matchentscheidend, eine Vertrauensbeziehung zu Kunden aufzubauen – diese kann von einem Roboter nicht erbracht werden.»


Beratung muss ganzheitlich werden

Auch wenn in vielen Geldinstituten landauf landab beinahe schon zwanghaft digitale Beratungsangebote und eigene Plattformen aus dem Boden schiessen, darf dabei eines nicht vergessen gehen: Kundenberatung ist und bleibt zentral, sie muss jedoch neu verstanden werden und zwar ganzheitlich. «Es wird verkannt, dass nicht einzelne Prozesse, sondern das gesamte Kundenerlebnis über Systemgrenzen hinweg einheitlich verstanden werden muss», schrieb Ralph Hutter, Leiter Product Management Digitalisation bei Finnova, im vergangenen November in einem Artikel in der «Netzwoche». «Von der einfachen Selbstbedienung bis hin zur Kommunikation und zur öffentlichen Beziehung mit den Kunden.» Die Beratung stelle darin nur einen Baustein dar, wenn auch einen substanziellen.
Denn der Mensch bleibt Mensch. Er braucht trotz Digitalisierung Halt und Orientierung. Vertrauen, Nähe und Sicherheit gehören zu den Werten, die auch bei Onlinestrategien nie vergessen gehen dürfen. Die Aktivitäten rund um das wieder arg in Mode gekommene Schlagwort «Customer Journey» enden nicht mit dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen. Die Kunst ist es, die Kundenbeziehung aufrechterhalten zu können. Das war schon zu Zeiten der Medici so und wird es auch in Zeiten der Robo Advisors bleiben.