Generalversammlungen sind in der Regel eine trockene Angelegenheit. Für eine Kategorie von Schweizer Aktiengesellschaften gilt dies nicht. Die Rede ist von den Hunderten von Schweizer Brauereien. Viele davon sind als Aktiengesellschaften organisiert und richten Generalversammlungen aus, die mehr bieten als eine Traktandenliste und viele Powerpoint-Folien.

Huus-Braui, eine kleine Brauerei im thurgauischen Roggwil, ist dafür ein klassisches Beispiel: 300 bis 400 Personen kommen jedes Jahr an einem Montagabend an die Aktionärsversammlung und werden dort mit Weisswurst und Dessert verköstigt. Das eigene Bier fliesst bei dem geselligen Anlass selbstverständlich reichlich. Zusätzlich gibt Huus-Braui den Besuchern ein Bierglas und einen 12-Franken-Gutschein mit nach Hause.

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Bei der Kleinbrauerei Stadtguet in Winterthur wird an der Jahresversammlung immer Schüfeli im Teig zum Bier serviert – und bei Lägerebräu in Wettingen erhalten die Aktionäre das hauseigene Getränke ausgeschenkt und dazu eine Bretzel und einen Gutschein für ein Sechserpack Bier.

Die Folge eines Braubooms

In den Genuss solcher Generalversammlungen mit Festcharakter kommen viele Schweizerinnen und Schweizer. Als Folge des Braubooms gibt es hierzulande immer mehr Bieraktien. Fast 1000 Brauereien sind derzeit registriert und jedes Jahr kommen neue hinzu. Ab einer gewissen Grösse sind die meisten davon Aktiengesellschaften. Mit dem Kapital der Aktionäre können Brauer die hohen Ausgaben stemmen.

Brauerei-Boom in der Schweiz

Boom: Die Zahl der Schweizer Brauereien ist sprunghaft angestiegen.

Quelle: Statista

Denn wer die Bierherstellung nicht nur als Hobby betreibt, muss viel investieren. Für eine neue Abfüllstation oder ähnliche Anschaffungen «kommen locker 1 Million Franken Investitionskapital zusammen», erzählt der Geschäftsführer der IG unabhängiger Schweizer Brauereien, Ralf Schröder. Mit den Aktionären erhalten sie gleichzeitig aber auch treue Kunden, die Werbung für das Bier betreiben. Einige neue Brauereien setzen zusätzlich auch auf Schwarmfinanzierung und sammeln so über das Internet Geld von Gönnern, etwa die Aarauer Brauerei Stadtwächter.

Im Schweizer Börsenhandel sind Schweizer Brauereien nicht mehr vertreten. 2008 verschwand mit Eichhof nach der Übernahme durch Heineken das letzte Unternehmen von der SIX. An der Nebenwertebörse der Berner Kantonalbank OTC-X werden noch die Titel von Falken, Schützengarten und Wädi-Brau-Huus gehandelt.

Gefragte Aktien mit Warteliste

Schweizer Brauereiaktien sind klassische Liebhabertitel oder, etwas weniger freundlich ausgedrückt, «Fressaktien»: Wer die Wertpapiere kauft, erhält fast immer einen handfesten Gegenwert: Speis und Trank und vielleicht noch ein kleines Geschenk. Wer sich eine Dividende erhofft, geht bei den meisten Brauereiaktien leer aus. Der Gewinn wird in der Branche meist in den Betrieb reinvestiert.

Für die Aktionäre stimmt die Performance offenbar dennoch: Bei Huus-Braui, Stadtguet und Lägerebräu sind alle Titel vergeben und die Betriebe führen Wartelisten für die Kaufwilligen. «Wir haben sechzig Personen, die immer wieder anfragen, ob eine Aktie frei wird», erzählt Lägerebräu-Geschäftsführer Simon Dankwa.

Unser_Bier_Basel

Unser Bier aus Basel: Einer der vielen jungen Brauereien in der Schweiz.

Quelle: Keystone

Wem die Rendite wichtig ist, der kann aber auch bei solchen Bieraktien auf seine Kosten kommen. Wer beispielsweise bei Unser Bier in Basel eine Aktie für 325 Franken gezeichnet hat und es sich an jeder Generalversammlung gut gehen lässt, habe das Investment nach sechs oder sieben Jahren herausgeholt, schätzt Geschäftsführer Luzius Bosshard.

Bei Stadtguet aus Winterthur dürften dafür 15 Jahre nötig sein – hier kostet die Aktie mit 700 Franken deutlich mehr. Auch wenn manche Aktionäre das Kalkulieren nicht lassen können: Für die meisten steht nicht eine in Promille messbare Rendite im Vordergrund. Sie kaufen die Aktie, um ein lokales Bier zu unterstützen.

Brauerei_Baar

Abfüllanlage in der Brauerei Baar: Eine der unhabhängigen Brauereien in der Zentralschweiz.

Quelle: Keystone/Handout Roche

Mit Hopfen und Malz Geld verlieren

Wie jede Investition sind aber auch Bieraktien mit Risiken verbunden. Nicht alle Brauereien schaffen es, sich im Markt durchzusetzen. Wegen des Braubooms gibt es in manchen Gegenden inzwischen mehrere lokale Brauereien, die sich konkurrenzieren. «Nicht jedes Dorf braucht ein eigenes Bier», findet Ralf Schröder von der IG unabhängiger Schweizer Brauereien.

Der Biermarkt ist zudem zweigeteilt: Ein Viertel des Biers wird aus dem Ausland eingeführt und 99 Prozent des Schweizer Biers wird von den 49 grössten Anbietern gebraut. Der kleine Rest verteilt sich auf die übrigen Brauer – es herrscht ein Verdrängungswettbewerb. Manche Brauereien müssen wieder aufgeben – und dabei können Aktionäre Geld verlieren. So musste beispielsweise die Baselbieter Brauerei AG nach vier Jahren heuer den Betrieb einstellen. Das Jungunternehmen scheiterte an zu hohen Investitionskosten und Qualitätsproblemen.

Wädi-Brau-Huus aus Wädenswil konnte 2005 nur knapp den Konkurs abwenden. Die Aktionäre retteten das überschuldete Unternehmen, indem sie einem Kapitalschnitt und einer Kapitalerhöhung zustimmten. Der Aktienwert wurde von 100 auf noch 1 Franken herabgesetzt. Die Brauerei vom Zürichsee konnte den Konkurs abwenden.

Den anderen 32 Mitglieder der IG unabhängiger Schweizer Brauereien läuft es operativ meist ziemlich rund. Das bestätigt auch Geschäftsführer Ralf Schröder, er sagt: «Den meisten geht es wirtschaftlich gut.»