Aufschlussreich ist der Blick auf die Publikationsdaten von Unternehmen aus der gleichen Branche. Beispielsweise bei grösseren Versicherungsgesellschaften: Einige grosse Branchenvertreter veröffentlichten Mitte Februar ihre detaillierten Jahreszahlen, andere schafften das erst im April dieses Jahres. Wenn man hier diskret nach den Gründen für die zeitlichen Unterschiede fragte, gab es zwei Hauptaussagen: «Wir haben die Umstellung auf IFRS 17 im Griff – und wir arbeiten intern und extern mit dem XBRL-Standard.»

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Höhere Effizienz, weniger Fehler

XBRL steht für «Extensible Business Reporting Language»; das ist ein globaler Standard für die Übertragung von Finanz- und Geschäftsdaten, der auf XML (Extensible Markup Language) aufbaut. Hierzulande treibt der Verein XBRL Schweiz, ein Ableger des globalen, nicht gewinnorientierten Konsortiums XBRL International, die Entwicklung voran.

«Die unternehmerische Rechnungslegung ist kein Selbstzweck, sondern reflektiert die gesellschaftliche Einbettung wirtschaftlicher Aktivität mit Konzepten wie Verantwortung und Rechenschaftspflicht», umreisst Marco Passardi, Co-Präsident von XBRL Schweiz, das Themenfeld. «Wenn sich die gesellschaftlichen Ansprüche an diese Konzepte in Umfang und Geschwindigkeit verändern – siehe Konzernverantwortungsinitiative –, dann muss sich auch die Rechnungslegung ändern.»

Beispielsweise durch eine beschleunigte Digitalisierung. «Die Digitalisierung von Prozessen führt grundsätzlich zu einer Reduktion der Reibungsverluste und damit zu niedrigeren Gesamtkosten in der Berichterstattung und Analyse von Unternehmen», sagt Christian Dreyer, Mitglied des Vorstands des XBRL Schweiz, zu den Vorteilen.

Es sei hierbei entscheidend, die gesamte Wertschöpfungskette des Prozesses zu betrachten, nicht nur einzelne Aspekte wie die Berichterstattung. «Bei der Betrachtung der sinkenden Gesamtkosten müssen sowohl die direkten Kosten für Berichterstattung und Analyse als auch die Opportunitätskosten des bestehenden Zustands einbezogen werden, die aus einer höheren Fehlerquote und längeren Verzögerungen resultieren – also aus der zusätzlichen Zeit, die durch nicht digitalisierte Prozesse verloren geht», so Dreyer. «Ebenso wichtig ist, die Opportunitätskosten zu berücksichtigen, die wegen des Fehlens einheitlicher digitaler Unternehmensdaten entstehen, welche die Nutzung bestimmter Optionen im aktuellen Zustand verhindern. Wäre die Rechnungslegung digitalisiert, hätte die Verwaltung und Betrugsprävention bei den Covid-Krediten deutlich effizienter agieren können.»

 

Auch Klimaberichte werden digitalisiert

In den Niederlanden geben die Banken laut Dreyer ihren Kreditkunden aus dem Unternehmensbereich günstigere Finanzierungskonditionen, wenn diese ihre Jahres- und Zwischenberichte in XBRL liefern. «Damit geben sie einen Teil ihrer tieferen Prozesskosten an ihre Kundschaft zurück», so Dreyer weiter. «In der Schweiz gibt es bisher noch keine solchen Anwendungsfelder.»

Die Schweizerische Steuerkonferenz (SSK) arbeite jedoch daran, die technischen Voraussetzungen für koordinierte kantonale Veranlagungsplattformen für juristische Personen zu schaffen. «Diese können in einzelnen Kantonen ihre Finanzberichte bereits ab nächstem Jahr mithilfe der von unserem Verein gepflegten CH-Taxonomie im XBRL-Format einlesen – die ineffiziente Nacherfassung wird überflüssig», so Christian Zanettin, Mitglied des Vorstands des XBRL Schweiz.

Die eigenfinanzierte Bäckerei im Familienbesitz, die nur ihr lokales Umfeld beliefert und ausser der Steuerverwaltung keine wichtigen Stakeholder aufweist, werde laut Zanettin länger auf digitalisierte Berichtsprozesse verzichten können als ein KMU, das in eine industrielle Wertschöpfungskette eingebunden ist. «Trotzdem dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis die ansonsten omnipräsente Digitalisierung auch in der Rechnungslegung der Bäckerei Einzug hält – zum Beispiel bei der Pensionierung des langjährigen Treuhänders», erwartet Zanettin.

Ungleich grösser ist der Druck bei den 200 grösseren und grössten Schweizer Unternehmungen, die ab 2025 verpflichtet sind, ihre Klimaberichterstattung im XBRL-Format zu liefern. Der Kreis der betroffenen Firmen ist gemäss dem Bericht zur Regulierungsfolgenabschätzung des Vernehmlassungsentwurfs möglicherweise noch viel grösser: «Er kann mittelfristig aufgrund der EU-Drittstaatenregelung auf bis zu 50’000 Schweizer Firmen steigen, unabhängig von der Schweizer Regulierung, einfach aufgrund der Tatsache, dass diese Firmen stark in die EU-Lieferketten eingebunden sind», so Zanettin.

 

KI verbessert Genauigkeit und Aussagekraft

«Die Kompetenz und Erfahrung im Umgang mit XBRL sollten bei der Wahl der eigenen Treuhandfirmen, IT-Fibu-Anbieter und anderer Finanzdienstleister berücksichtigt werden», rät Zanettin. «Wichtig ist, dass diese Partner ein Verständnis für die Vorzüge und Schwierigkeiten von XBRL haben und die geeigneten Lösungen und Dienstleistungen anbieten können.» Dazu zähle auch, dass sie in der Lage sind, die gegenwärtigen Entwicklungen und Trends im Bereich XBRL zu verfolgen und sich den sich wandelnden Anforderungen und Chancen anzupassen.

Und auch künstliche Intelligenz (KI) spielt hier eine zunehmend wichtige Rolle. «KI ist dann besonders leistungsfähig, wenn standardisierte Daten vorliegen», sagt Marco Passardi, der als Dozent an der Hochschule Luzern (HSLU) eine ergänzende Sichtweise hat. «XBRL unterstützt dies. Gerade bei der Prüfung von Jahresrechnungen dürften so Fehler und Unklarheiten leichter identifizierbar werden.»

«KI automatisiert die Umwandlung von Finanzdaten in XBRL, korrigiert Fehler und verbessert die Datenqualität», so Zanettin. «Sie analysiert XBRL-Daten, identifiziert Trends und unterstützt bei strategischen Entscheidungen. Dadurch steigern KI und XBRL gemeinsam die Effizienz, Genauigkeit und Aussagekraft der Finanzberichterstattung.»